Alle Beiträge von Christian Peitz

Unser Rückblick auf 2021 bis 2023

Im letzten Rückblick vom Januar 2021 war ich noch ausgesprochen hoffnungsvoll, was die Zukunft anging. Klar, nach dem Corona-Lockdown konnte es ja nur bergauf gehen. Unser Rückblick auf 2021 bis 2023 fällt trotzdem eher durchwachsen aus. Schuld daran waren die Klimaerwärmung und deren Auswirkungen auf unser Wetter.

Ein Auftrag quasi backstage im Museum

Im Frühjahr 2021 lief tatsächlich noch nichts. Es kam dann aber doch noch ein größerer Auftrag quasi backstage im Museum um die Ecke. Vom September 2021 bis zum November 2022 lief in verschiedenen Museen in NRW die archäologische Landesausstellung „Roms fließende Grenzen“. Wir hatten von der NRW-Stiftung den Auftrag erhalten, die Texte für ein Kinderheft zu den Ausstellungen zu verfassen. Rechtzeitig zur Eröffnung der ersten Ausstellung sollte das Heft fertig werden. 10 Wochen vom ersten Projektgespräch bis zur Abgabe. Das war sportlich. Wir haben es dennoch geschafft – und das Heft hat reißenden Absatz gefunden.

Hochwasser

Dann aber kam der 14. Juli 2021 – und damit das Hochwasser. Von unserem Räumen hat man einen wunderbaren Ausblick auf den Stiefelsbach, ein Rinnsal, das jeden Sommer für ein paar Wochen trocken fällt. Vom Haus bis zum Bach sind es keine 20 m. Die haben nicht ausgereicht, um das Wasser daran zu hindern, uns zu besuchen – zudem die Brühe nicht nur von hinten vom Bach, sondern irgendwann auch von vorne über die Straße kam.

Da sich unsere Firmenräume auf Keller und Erdgeschosse in zwei benachbarten Gebäuden verteilen, war das Ergebnis nicht nur im Rückblick nicht lustig. Die Werkstatt und ein Teil des Materiallagers standen bis zur Brust, weitere Teile des Lagers und der Bibliothek bis zum Knie unter Wasser. Etwa 65 % der Werkzeugmaschinen, 25 % der Kostüme und Lagerausrüstung sowie 10 % der Bücher waren Opfer von Wasser und Schlamm geworden. Weiteren Schaden konnten wir verhindern, indem wir bei noch steigendem Hochwasser Bücher und Ausrüstung aus den unteren Regalböden nach oben geräumt haben. Der Strom war da längst ausgefallen.

Beseitigung des Chaos

Die nächsten Wochen haben wir dann fulltime mit der Beseitigung des Chaos verbracht. Dem Himmel sei Dank waren wenigstens Ferien und wir hatten Urlaub – auch wenn die geplanten Urlaubsreisen alle buchstäblich ins Wasser gefallen sind. Danach mussten die Sanierungsarbeiten mit geringerem Tempo weitergehen, denn es riefen ja wieder unsere Jobs.

Da natürlich alle Wände feucht waren, mussten Ausweichräume für das Lager gefunden und bezogen werden. Fast ein Jahr lang hat es gedauert, bis die Feuchtigkeit aus unseren Räumen raus war. Erst danach konnten wir damit beginnen, neu zu verputzen und zu streichen. Als das endlich erledigt war, konnten wir daran gehen, Werkzeugmaschinen, Regale, Ausrüstung, Kostüme und zumindest einen Teil der zerstörten Bücher zu ersetzen. Veranstaltungen konnten wir in dieser Zeit also weitgehend vergessen. Die Werkstatt ist bis jetzt noch nicht wieder voll in Funktion.

Nochmal Römer für die NRW-Stiftung

Aufgrund des durchschlagenden Erfolgs des Kinderheftes kam dann im Sommer 2022 der Folgeauftrag. Gerade war der Niedergermanische Limes in die Liste der UNESCO-Weltkulturerbestätten aufgenommen worden. Erneut erteilte uns die NRW-Stiftung den Auftrag über die Texte für eine Publikation für acht- bis zwölfjährige Kinder. Es sollte ein Entdeckerbuch zu ausgewählten Bodendenkmälern am Niedergermanischen Limes werden.

Wie auch schon beim Vorgängerprojekt hat Oliver Hartmann die Zeichnungen der Ankerfigur, des Eichhörnchens Nicki Nuss, erstellt. Die Agentur Cyrano führte dann Texte, die von uns recherchierten und ausgewählten Fotos und die Zeichnungen wieder zu einem einheitlichen Produkt zusammen. Es war ein Monsterprojekt, das uns über ein Jahr in Atem gehalten hat. Immerhin machen wir von Past Present Promotions den Job inzwischen alle nur noch im Nebenberuf. Wir warten noch auf die endgültige Freigabe durch den Limesbeauftragten am LVR-Amt für Bodendenkmalpflege, dann kann das Buch in Druck gehen.

Themenführungen für MiQua in Köln

Beinahe parallel erhielten wir den Auftrag über Themenrundgänge für das LVR – Jüdisches Museum im archäologischen Quartier (MiQua) in Köln. Um die noch mehrere Jahre dauernde Verzögerung bei der Eröffnung zu überbrücken, beauftragte uns das Museum mit der Konzeption von drei Führungen mit Hands-on-Objekten. Die Rundgänge sollten durch das archäologische Quartier gehen und die Themen „Archäologie im Quartier“, „Alltag und Kindheit“ und „Zusammenleben der Religionen“ abdecken. Dazu kamen digitalem Material zur Nachbereitung und eine Einführung zur Mode des römischen Reiches und des Mittelalters für die Mitarbeiter des Museums. Im Frühjahr 2023 konnten wir das Projekt abschließen.

Doch noch eine Veranstaltung

Ende August hatten wir dann doch noch eine eigene Veranstaltung. Denn unser Heimatstädtchen Rheinbach wurde vor 725 Jahren zum ersten Mal als „oppidum“, also als Stadt bezeichnet. Das hat der Verein von Freunden des Stadtarchivs zum Anlass genommen, ein Stadtfest zu initiieren. Wir haben in dessen Auftrag die Belebung der Kemenate des Bergfriedes der Rheinbacher Burg organisiert, die Waffen- und Rüstungsschau, diverse Handwerksvorführungen, ein Kindermitmachprogramm und den Darsteller des Kölner Erzbischofs für die „Podiumsdiskussion“ zwischen eben jenem geistlichen Würdenträger, dem Ritter von Rheinbach und dem Abt des Klosters Prüm.

Neue militärische Ausrüstung für den ersten Weltkrieg

Neben dem Ersatz für durch die Flut beschädigte Ausstattung haben wir auch in einen neues Darstellungsthema investiert. Zivile Bekleidung für den Zeitraum um 1900 haben wir bereits im Fundus.

Unser MG-Trupp
Unser MG-Trupp – vorn 1914/15, in der Mitte 1916/17.

Diese haben wir durch neue militärische Ausrüstung für den ersten Weltkrieg ergänzt. Wir können nun auch als (allerdings leider nicht vollständige) Besatzung eines MG08 eines Bataillons des preußischen Landsturms auftreten.

Planung für 2024

Inzwischen ist die Saison 2023 beendet. Jetzt geht es mit der Beseitigung der letzten Hochwasserschäden weiter. Außerdem läuft die Planung für 2024. Noch ist überhaupt nichts fest. Die ersten Angebote sind aber natürlich in Arbeit und auch die Recherchen für weitere Publikationen laufen auf Hochtouren.

Unsere Projekte 2020

Auf unsere Projekte 2020 zurück zu blicken ist einerseits nicht einfach. Denn viele Veranstaltungen, die wir vorhatten, konnten nicht stattfinden, viele Museen, für die wir normalerweise tätig sind, hatten die meiste Zeit des Jahres geschlossen. Andererseits haben sich viele Chancen ergeben. Wir hatten Zeit, uns lange auf Eis liegenden Projekten zu widmen und ganz neue Dinge in Angriff zu nehmen. Und ein bisschen hat auch das Glück geholfen. Hier ist er also: mein Jahresrückblick auf das Jahr 2020.

Keine großen Projekte 2020

Wie ich schon in meinem letzten Jahresrückblick erwähnt hatte, umfassten unsere Projekte 2020 keine selbst organisierten größeren Veranstaltungen. Doch auch die Events, an denen wir unter der Orga Dritter hätten teilnehmen wollen, sind ins Wasser gefallen, so das „Mittelalter erleben“-Wochenende rund um den Internationalen Museumstag auf Burg Nideggen, das Stauferfest in Gelnhausen oder das Kulturmeilenfest in Saarbrücken. Auf den Tag der Archäologie in der Außenstelle Titz des LVR-Amtes für Bodendenkmalpflege hatten wir uns schon besonders gefreut. Ein kleines persönliches Highlight hätte mein Auftritt als mittelalterlicher Baderchirurg in den Römerthermen Zülpich – Museum der Badekultur werden sollen. Aber: All das hat nicht sollen sein.

Museen geschlossen

Auch Museumsführungen und Workshops haben nur sehr eingeschränkt stattgefunden – was natürlich immer noch gilt, solange der Lockdown anhält. Denn fünf Monate lang waren 2020 alle Museen geschlossen – und das sind sie immer noch. Manches Museum schickt uns zumindest mit einem Teil seiner Angebote in die Schulen. Andere Häuser haben in Internet-Technik investiert und bieten Video-Führungen und –Workshops an. Aber in viel zu vielen Museen gibt es immer noch kein W-LAN in den Ausstellungsräumen!

In der Zeit von Juni bis Oktober hatten zwar viele Museen wieder geöffnet, die Hygienekonzepte haben aber vielfach keine Einsätze für Gruppen zugelassen. Für uns freie Mitarbeiter galt und gilt viel zu oft: Wir müssen leider draußen bleiben. Da kommt man sich schon mal wie ein Hund vor …

Um mich richtig zu verstehen: Ich bin ein großer Befürworter der Einschränkungen des öffentlichen Lebens, um die Infektionszahlen wieder in den Griff zu bekommen. Es hat sich in der Corona-Krise nur leider gezeigt, dass es Städte, Kreise und kommunale Verbände als Träger von Museen sogar noch in der Krise einfach verpennt haben, den Bereich Bildung und Vermittlung an ihren Häusern irgendwie zukunftsfähig zu machen. Museumspädagogik soll zwar vielfältig, spannend, zielgruppengerecht, inklusiv, integrativ und super professionell sein, darf aber natürlich möglichst kein Geld kosten …

Projekt abgeschlossen: der Wilde Westen

Statt also für gute Arbeit gutes Geld zu verdienen, haben wir verstärkt Geld ausgegeben. Denn wir haben uns um Projekte gekümmert, die in unterschiedlichen Stadien schon länger auf ihre Fortführung gewartet haben. Eines davon war die Perfektionierung unserer Ausstattung zur 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts, speziell des „Wilden Westens“. Nach umfangreichen Recherchen und der Zusammenstellung von Kleidung und Bewaffnung haben wir das Projekt im Spätherbst zur Einsatzreife bringen können.

Projekte fast abgeschlossen: Sezessionskrieg und US-Kriegsberichterstatter des WWII
Oliver in der Uniform eines Infanteristen der US-Army im Sezessionskrieg
Oliver in der Uniform eines Infanteristen der US-Army im Sezessionskrieg. Foto: Stefanie Peitz.

Noch nicht ganz abgeschlossen, aber sehr weit fortgeschritten ist das Projekt rund um den amerikanischen Bürgerkrieg. Sowohl Unionstruppen als auch Konföderierte sind in unserem Portfolio enthalten. Für das Frühjahr planen wir eine Fotostrecke.

Die könnten wir schon fast mit unserem zweiten Projekt umsetzen: Kriegsberichterstatter der US-Armee im Zweiten Weltkrieg. Ein bisschen was an Kameratechnik fehlt noch und auf die Uniformen müssen noch die Aufnäher, aber dann kann es losgehen. Auch dazu bald mehr.

Ein Projekt, das lange auf Eis lag: „Deutscher Orden um 1300“

Ein Projekt, das schon lange in einem, nun sagen wir einmal halbherzigen Stadium vor sich hindümpelte, war der Deutsche Orden um 1300. Ein paar Ausrüstungsstücke waren vorhanden, stammten aber größtenteils noch aus einer Frühphase unserer Tätigkeit und entsprechen somit teilweise nicht mehr unseren Standards. Nach umfangreichen Recherchen ging es also zunächst einmal in die Werkstatt, um Schilde zu bauen. Heraus kamen ein „normaler“ Reiterschild und der Zeremonialschild des Hochmeisters Karl von Trier. Zwei Paar Ailetten sind in Arbeit. Das Thema Kleidung wartet noch auf die letzten Stoff-Lieferungen. Unterwäsche und Rüstungen sind in guter Qualität ja schon vorhanden.

Der Glücksfall

Kurz vor der Jahresmitte rief dann eine Kollegin aus dem Archäologischen Museum in Frankfurt/Main an. Ob ich mir vorstellen könne, für eine Ausstellung zum Thema „Menschwerdung“ interaktive Stationen zu entwerfen. Natürlich konnte ich. Für mich ist das Projekt inzwischen weitgehend abgeschlossen, auch wenn die Ausstellung erst ab Mai gezeigt werden soll. Das Honorar aus dem Job hat nicht nur dafür gesorgt, dass ich viele staatliche Hilfsprogramme nicht in Anspruch nehmen musste, sondern hat auch viele der erwähnten Investitionen erst möglich gemacht.

Mit Schwung und Elan in das Jahr 2021

Fazit: Wir arbeiten daran, dass 2021 wieder mehr historische Veranstaltungen aller Epochen stattfinden und die Museen auf unser erweitertes Angebot kräftig zugreifen werden. Bis dahin: Bleibt gesund und vielleicht sehen wir uns …

Der Wilde Westen

Die nördlichen Black Hills, Dakota-Territorium, 1876 – der Wilde Westen: Im Tal des Whitewood Creek, wegen der vielen dort stehenden toten Bäume „Deadwood Gulch“ genannt, wird ein Goldsucher fündig. Zwei Jahre zuvor hatte eine Expedition unter Colonel George Armstrong Custer weiter in Süden der Black Hills Gold gefunden.

Deadwood

1868 war das Gebiet eigentlich im Vertrag von Fort Laramie den Lakota-Sioux zugesprochen worden, denen das Land heilig ist. Das interessierte nach dem Goldfund außer den Indianern aber niemanden mehr. Daher zogen schon bald aus allen Richtungen Goldsucher in die Black Hills. Im Whitewood Creek fanden die Schürfer besonders viele Nuggets. Ein Zeltlager schoss aus dem Boden, das schnell zur Stadt wurde: Deadwood.

Neben Goldsuchern zog es Kneipenwirte, Zuhälter, Puffmütter und Prostituierte, Glücksspieler und andere Abenteurer, aber auch viele Kaufleute nach Deadwood. Unter diesen Glücksrittern waren auch unsere beiden Freunde Oliver und Christian. Oliver hatte im Osten Geld mit Immobilien gemacht und suchte hier nach neuen Möglichkeiten. Christian hatte schon früher erfolgreich nach Bodenschätzen gesucht und wollte sein Wissen auch hier gewinnbringend anwenden.

Gesetze gab es in Deadwood nicht und auch niemanden, der sie hätte durchsetzen können. Klar, die Siedlung lag im Indianerland, gehörte weder zu einem US-Bundesstaat noch zu einem US-Territorium. Daher war Gewalt an der Tagesordnung. Und so mussten auch unsere beiden Freunde immer wieder einmal zu den Waffen greifen, um ihr Recht, ihren Besitz und ihr Leben zu verteidigen …

So könnte sie angefangen haben, die Geschichte, für die wir uns schick gemacht haben. Von der Idee, unsere Aktivitäten auch in das ausgehende 19. Jahrhundert zu erweitern, bis zur Umsetzung hat es eine Zeit gedauert. Jetzt aber sind wir auch im Wilden Westen „bühnenreif“. Ganz wichtig: Jeans und Stiefel mit silberbeschlagenen Spitzen sucht man in unserer Ausrüstung vergebens.

Die Herrenmode im Wilden Westen

Vielmehr war die Mode im Wilden Westen, so wie die Mode der gesamten westlichen Welt, damals stark von der französischen Mode beeinflusst. Während sich die Damenmode recht schnell wandelte, änderte sich zwischen 1865 und 1890 in der Herrenmode nur wenig.

Hemden
Oliver und Christian im Wilden Westen
Oliver trägt sein Hemd ohne Kragen, während Christian einen runden Kent-Kragen trägt. Foto: Stefanie Peitz.

Die Hemden waren oft Schlupfhemden, hatten also keine durchgehende Knopfleiste. Zur formellen Kleidung gehörte natürlich ein weißes Hemd. Braune oder graue Streifen setzten modische Akzente. Traditionell war ein hoher, steifer Kragen mit Kläppchen („Vatermörder“) angesagt. Doch auch der umgeklappte Kent-Kragen mit abgerundeten Ecken hatte seinen Weg in die formelle Herrenmode gefunden. Oliver trägt das Hemd jedoch ohne den hohen Kragen. Das war möglich, weil der Kragen oft separat angeknöpft wurde und so zum Waschen öfter getauscht werden konnte.

Christian ruht sich von der Arbeit aus.
Christian im Kaliko-Hemd mit Blümchenmuster. Foto: Stefanie Peitz.

Bei der Arbeit waren Hemden aus robusten, glatten Baumwollstoffen beliebt. „Kalikos“ heißen diese Stoffe. Im Wort „Kaliko“ steckt der Name der Stadt Kalkutta. Tatsächlich stammten diese Stoffe ursprünglich aus Indien, wurden im 19. Jahrhundert aber zu einem verbreiteten Industrieprodukt, zunächst in England und Frankreich, dann auch in den USA. Kaliko-Stoffe wurden gerne bedruckt. Beliebt waren z.B. Muster aus kleinen Blümchen. Christian trägt ein solches Hemd zu Arbeit.

Krawatten und Halstücher

Eine gerne auch farbige Krawatte, ein Plastron oder eine Schleife aus Seide rundeten das Hemd am Kragen ab. In der Folge des Sezessionskrieges wurde es bei der arbeitenden Bevölkerung üblich, sich ein großes Taschentuch um den Hals zu binden. Dies saugte einerseits den Schweiß auf. Andererseits konnte es, über Mund und Nase gezogen, auch das Einatmen von Staub verhindern – ein nicht zu unterschätzender Vorteil auf dem Viehtrieb!

Der Rock

Klassisch trug „Mann“ in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts den etwa knielangen Gehrock. Die formellere Variante war zweireihig. Alltagstauglicher war die einreihige Variante. Diese konnte auch offen getragen werden. So war der Blick frei auf die Weste – und man musste nicht jedes Mal seine Waffe(n) ablegen, wenn man den Rock auszog. Praktischer waren jedoch kürzere Röcke, für die sich unsere beiden Freunde entschieden haben. Was den Rock vom Sakko unterscheidet: Der Rock hat immer eine horizontale Taillennaht.

Oliver und Christian in Gehröcken
Oliver und Christian in ihren schwarzen Gehröcken. Foto: Stefanie Peitz.

Wolle, meist in Form von robusten, gewalkten und gerauten Streichgarn-Tuchen (Wollflanell), seltener die glatten Kammgarn-Tuche, war das Material der Wahl. Speziell bei den weniger formellen Varianten durfte es aber auch der bequemere und doch strapazierfähige Baumwoll-Drillich sein. Die Farben waren gedeckt: schwarz und grau. Modischer und daher weniger formell waren braun, dunkelblau und dunkelrot.

Hosen

Die Hosen hatten einen hohen Bund, der etwa bis zum Bauchnabel reichte. Gehalten wurden sie von Hosenträgern. Denn: Schlaufen für einen Gürtel gab es bei diesen Hosen in der Regel nicht! Die Hose war oft, aber nicht immer aus demselben Stoff gefertigt wie der Rock – wenn es formell sein sollte, mit feinen Streifen, weniger formell mit Karos. Denim, also Jeansstoff, fand erst ab den 1870er Jahren Verbreitung. Modische Hosen hatten recht eng geschnittene Beine. Sollten die Hosen aber über den Stiefeln getragen werden, waren die Beine gerade geschnitten.

Das Gilet

Nicht fehlen durfte die Weste, das Gilet. Mal war sie als Teil des dreiteiligen Anzugs aus demselben Stoff wie Hose und Rock gefertigt. Gerne setzte der Träger mit ihr aber auch einen modischen Akzent. Die teuren gemusterten Seidenwesten konnten sich unsere beiden Freunde jedoch nicht leisten. Mal einreihig wie bei Christian, mal zweireihig geknöpft wie bei Oliver – ohne die Weste ging „Mann“ nicht aus dem Haus.

Schuhe und Stiefel

Zum Anzug gehören Schuhe. In den Städten des Ostens, wo mit befestigten Wegen und Straßen zu rechnen war, durften es Halbschuhe sein. In den Städtchen entlang der „Frontier“ jedoch trug man knöchelhohe Schuhe. Deswegen tragen Oliver und Christian Schuhe, wie sie seit 1850 auch die Infanterie nutzte, Brogans oder – nach dem Kriegsminister, der diese Schuhe einführte – Jeff Davis Boots genannt. Erstmals seit dem 17. Jahrhundert waren Schuhe und Stiefel wieder als linker und rechter Schuh gefertigt.

Christians Kavallerie-Stiefel sind auch bei der Arbeit praktisch.
Christians Kavallerie-Stiefel sind auch bei der Arbeit praktisch. Foto: Stefanie Peitz.

Stiefel mit hohem Schaft waren im Wilden Westen allgegenwärtig. Der klassische Cowboystiefel hatte jedoch keine Spitze, sondern schloss vorne gerade ab. Das Vorbild waren Kavallerie-Stiefel. Christian trägt ein Paar zur Arbeit, aber hin und wieder auch zum Anzug.

Hüte

Zum Bild des Wilden Westen gehört der Cowboyhut. Breitkrempig, mit hoher Krone, um dem Kopf Luft zu lassen, stammte er ursprünglich aus Mexiko. In den 1850er Jahren fand dieser Hut seinen Weg nach Texas, Arizona und New Mexiko. Im Zuge der großen Viehtrecks eroberte dieser Hut den gesamten Westen. Oliver trägt ein fast mustergültiges Modell.

Christian im Wild-West-Outfit.
Christian trägt hier einen modischen Hut mit Conchas. Foto: Sabine Peitz.

Doch die Hutmode war vielfältig. Die Krone mal offen, mal eingekniffen, mal flach, die Krempe mal schmaler, mal breiter, an den Rändern aufgebogen oder flach – alles war möglich. Christian trägt eine solche Alternative bei der Arbeit. Einer der beliebtesten Hüte war jedoch auch im Wilden Westen der Bowler, die Melone, wie Christian ihn gerne zum Anzug trägt.

Waffen, die den Westen erobert haben

Oliver und Christian führen Waffen-Modelle, die im Wilden Westen weit verbreitet waren. Alle können sie mit Fug und Recht den Titel „Waffen, die den Westen erobert haben“ tragen. Wir nutzen hauptsächlich CO2-Nachbauten in den Kalibern 4,5 mm Diabolo oder 6 mm BB bzw. Schreckschusswaffen im Kaliber 9 mm Knall. Denn das ermöglicht uns die Präsentation einer Vielfalt von Modellen, für die man ansonsten eine Sammler-Waffenbesitzkarte benötigen würde.

Die Gewehre im Wilden Westen
Die Unterhebelrepetierer von Winchester

Was wäre der Wilde Westen ohne die Gewehre von Winchester? Basierend auf dem Unterhebelrepetierer von Henry aus dem Jahr 1860 entwickelte Winchester das verbesserte Modell 1866, erneut im Kaliber .44 Henry – einer Randfeuerpatrone. Deren Nachfolge wiederum trat die Winchester ’73 im Kaliber .44-40 WCF (Winchester Central Fire) an. Unsterblich wurde diese Waffe durch den ihren Namen tragenden Film aus dem Jahr 1950 mit James Steward.

Christian repetiert seine Winchester.
Christian repetiert seine Winchester. Foto: Stefanie Peitz.

Oliver trägt einen Nachbau einer Winchester ’73 im Kaliber 4,5 mm. Christian hingegen führt einen Winchester ’94-Nachbau im Kaliber 6 mm BB. Zwar ist die etwas zu jung für unseren Darstellungszeitraum, birgt aber den Vorteil, mit Patronen geladen zu werden. Wir halten diesen Kompromiss für vertretbar. Immerhin sehen sich beide Waffen so ähnlich, dass z. B. auch Hollywood immer wieder auf dieses Modell zurückgegriffen hat.

Die Gewehre von Sharps

Beinahe ebenso wichtig wie die Winchester war die Sharps. Im Sezessionskrieg war der Sharps-Karabiner sowohl bei der US- wie auch bei der konföderierten Kavallerie weit verbreitet. In der langen Version ist das Sharps-Gewehr berühmt geworden als die Waffe des 1. US-Scharfschützen-Regiment, „Berdan‘s Sharpshooters“. Ab 1874 war der ursprünglich mit Perkussionszündung versehene Hinterlader für Metallpatronen erhältlich. Sharps Gewehre und Karabiner waren mit ihrer starken Munition als sehr treffsicher bekannt. Oliver führt eine solche Waffe neben seiner Winchester.

Schrotflinten

Nicht vergessen werden soll natürlich auch die doppelläufige Schrotflinte. Für den Farmer war die Flinte eine Waffe zur Jagd auf Kleintiere und Vögel. Im Westen spielten Schrotflinten aber auch eine wichtige Rolle als Waffe der Wachleute auf den Überlandkutschen. Wells Fargo hatte seine Fahrer und Wachleute mit Flinten mit gekürzten Läufen ausgestattet. „Riding Shotgun“ ist bis heute in den USA ein Begriff für das Fahren auf dem Beifahrersitz.

Ältere Modelle waren oft noch Vorderlader. Hinterlader mit ihrem typischen Knicklauf waren zunächst ebenfalls mit außenliegenden Hähnen ausgerüstet. 1875 wurde das erste Patent für ein Flintenschloss mit innen liegenden Hähnen erteilt. Dieses System verbreitete sich schnell. Christian führt eine doppelläufige Flinte mit innenliegenden Hähnen. Sie kann mit Patronen geladen werden, die jeweils fünf 6 mm BBs fassen.

Die Revolver im Wilden Westen
Revolver mit Perkussionszündung

Bis zum Ende des Sezessionskrieges waren die Revolver im Wilden Westen in der Regel Vorderlader mit Perkussionszündung. Die wichtigsten Modelle waren die Navy-Modelle 1851 und 1861 im Kaliber .36 und der Army-Revolver 1860 im Kaliber .44 von Colt sowie deren Nachbauten der Konföderierten. Weite Verbreitung fand auch der .44-er Remington New Model Army.

Revolver mit Metallpatrone

Kurz vor dem Sezessionskrieg hatte Rollin White ein Patent auf einen Revolver mit durchbohrter Trommel erhalten. Dieses System erlaubte die Nutzung von Metallpatronen. Smith & Wesson erhielten eine Lizenz für dieses Patent und bauten die ersten Hinterlader-Revolver, den Smith & Wesson Nr. 1 im Kaliber .22 kurz.

Der Peacemaker
Oliver mit Peacemaker und Remington.
Oliver mit Peacemaker und Remington. Foto: Stefanie Peitz.

1873, nach Ablauf des Patents von Rollin White, brachte Colt sein Modell Single Action Army auf den Markt – den berühmten Peacemaker. Colt lieferte die Waffe zunächst im Kaliber .45 Colt an die US-Army. Für den zivilen Markt kamen ab 1877 auch Modelle hinzu, die die Munition der Winchester-Gewehre 44-40 WCF und 38-40 WCF verschossen. Die Waffen wurden mit Läufen in den Längen 7 ½ Zoll, 5 ½ Zoll und 4 ¾ Zoll gefertigt. Oliver trägt den Nachbau eines Modells mit 5 ½ Zoll langem Lauf im Kaliber 4,5 mm.

Der Remington 1875

Olivers zweite Waffe ist ein Remington Model 1875 Single Action Army. Dieser war der direkte Nachfolger des New Model Army. Ursprünglich im Kaliber .44 Remington CF gebaut, gab es diese Waffe später auch für Winchester- und Colt-Patronen zu kaufen. Olivers Nachbau hat ebenfalls das Kaliber 4,5 mm.

Schofields
Oliver und Christian mit Revolvern.
Christian hat einen seiner beiden Schofields gezogen. Er trägt seine Revolver mit den Griffen nach vorn in den Holstern. Foto: Stefanie Peitz.

Christian trägt zwei Smith & Wesson Nr. 3 Schofield Revolver. Diese Revolver wurden, als verbesserte Version des Nr. 3 American, ab 1874 zunächst für die US Army und später auch für den zivilen Markt im Kaliber .44 S&W American gebaut. Christian bevorzugt bei seinen Nachbauten das Kaliber 6 mm BB.

Das Bowie-Messer

1830 hatte der Schmied James Black aus Arkansas für James Bowie ein großes Kampfmesser hergestellt. Da Bowie mehrere Zweikämpfe mit diesem Messer bestritt, erlangte die Waffe rasch Berühmtheit. Schnell kamen Kopien und Abwandlungen in Umlauf. In den 1850er Jahren begannen Schneidwaren-Hersteller in Sheffield in Großbritannien, solche Messer in die USA zu exportieren. Ein solches Messer trägt Christian zusätzlich zu seinen beiden Revolvern am Gürtel. In den 1870er Jahren, als sich großkalibrige Faustfeuerwaffen immer weiter im Westen verbreiteten, ging die Verbreitung solch großer Messer langsam zurück. Ganz aus der Mode kamen sie aber nie.

Literatur

Ford, Roger: Handfeuerwaffen aus über fünf Jahrhunderten. Erlangen 2001.

Loschek, Ingrid: Reclams Mode- und Kostümlexikon. Ditzingen 2011.

Rosa, Joseph G: Western Arsenal – Schußwaffen der amerikanischen Pionierzeit. Stuttgart 1987.

Thiel, Erika: Die Geschichte des Kostüms: Die europäische Mode von den Anfängen bis zur Gegenwart. Leipzig 2010.

Der Hochmeisterschild des Karl von Trier – mein Nachbau

Was macht man als Museumspädagoge und Ausrichter von historischen Themenfesten, wenn letztere nicht stattfinden dürfen und man aufgrund wochenlanger Museumsschließungen und dem anschließenden noch viel länger andauernden Verbot, Führungen durchzuführen, auch ersteren Job nicht machen darf? Sprich: Wenn man jede Menge Zeit hat? Man sucht sich Beschäftigung. In meinem Fall hieß das (nachdem der Garten endlich einmal wieder gründlich auf Vordermann gebracht war), einen lange gehegten Wunschtraum wahr werden zu lassen: Ich habe mich daran gemacht, den Prunk- und Zeremonialschild des Hochmeisters des Deutschen Ordens Karl von Trier – kurz: den Hochmeisterschild – nachzubasteln.

Karl von Trier, Hochmeister des Deutschen Ordens

Karl von Trier war von 1311 bis 1324 Hochmeister des Deutschen Ordens. Er war der einzige mittelalterliche Hochmeister, der aus dem städtischen Bürgertum stammte, aus dem Trierer Schöffengeschlecht von Oeren. Erst sein Vorgänger Siegfried von Feuchtwangen hatte den Sitz des Hochmeisters 1309 von Venedig auf die Marienburg im preußischen Ordensland verlegt. Karl stand nun vor der Aufgabe, von der aggressiven Eroberungspolitik seines Vorgängers – mit den Litauern lag er im Krieg, auch mit Polen gab es Streit und der Bischof von Riga machte beim Papst Stimmung gegen den Orden – zu einer Politik des Verhandelns zu wechseln. Letztere versprach für die Zukunft mehr politische Stabilität.

Seine Bemühungen um Ausgleich führten jedoch zu Streitigkeiten mit den Großgebietigern des Ordens, die die Konflikte militärisch austragen wollten. 1317 setzten ihn die Großgebietiger ab. 1318 wurde er jedoch auf einem Generalkapitel in Erfurt wiedergewählt. Kurz nach seiner Wiederwahl reiste er an den päpstlichen Hof nach Avignon, wo er sich ein Jahr lang recht erfolgreich für die Angelegenheiten des Ordens einsetzte, und im Anschluss wohl auch nach Rom. Auf seiner Reise hatte er aufgrund seiner recht wackeligen Stellung mit Sicherheit einen gesteigerten Bedarf nach Repräsentation. In dieser Zeit dürfte daher der ihm zugeschriebene Hochmeisterschild entstanden sein.

Der Hochmeisterschild Karls von Trier – das Original

Der Hochmeisterschild gehört in eine Gruppe von mittelalterlichen Schilden, die lange Zeit auf Burg Reifenstein bei Sterzing in Südtirol lagerten. Von dort gelangte er als Schenkung der Fürsten von Thurn und Taxis in das Waffenkabinett des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum in Innsbruck, dessen Glanzstück er lange Zeit war. Heute ist er Teil der Sammlung des Zeughauses Innsbruck, das ebenfalls zu den Tiroler Landesmuseen gehört.

Der ovale Schild ist 98,5 cm hoch und an der breitesten Stelle 57,5 cm breit. Seine Form entspricht Schilden, wie sie der dritte Nachtragsmaler auf der Abbildung des Grafen Wernher von Homberg – sein Tod 1320 bei der Belagerung Genuas – die Belagerung ist die in der Miniatur im Codex Manesse abgebildeten Szene – ist der terminus post quem für die Anfertigung der Miniatur – auf Folio 43v des Codex Manesse als Ausrüstung der italienischen Infanterie dargestellt hat. Ganz ähnliche Schilde sind auch auf mehreren Fresken in der Burg Sabbionara bei Avio im Trentino zu sehen, die ebenfalls auf etwa 1320 datiert werden. Tatsächlich werden solche Mandelschilde mit gekapptem unterem Ende „italienischer Typ“ genannt.

Die Bauweise des Hochmeisterschildes

Der Hochmeisterschild besteht aus vier Brettern aus Fichten-/Tannenholz. Seine Dicke beträgt insgesamt ca. 15 mm. Er ist nur recht flach gewölbt. Die beiden Seiten sind jedoch stark nach hinten weggebogen. Der Schild ist beidseitig mit Pergament/Rohhaut belegt. Darauf ist ein Gipsgrund aufgetragen – typisch für italienische Tafelmalereien. Der Schild zeigt innerhalb der Umschrift „CLIPPEVS CVM GALEA MAGISTRI ORDINIS FRATRVM THEVTVNICORVM“ das Vollwappen des Hochmeisters des Deutschen Ordens, also den dreieckigen Reiterschild mit Topfhelm und Helmzier. Der Dreieckschild weist die-Form mit leicht eingezogenen oberen Ecken auf, wie sie typisch ist für die Darstellung im Codex Manesse. Das Vollwappen ist von einem dichten roten Rankenwerk auf gelbem Untergrund umgeben. Auf der Rückseite ist der Schild mit vier schwarzen Doppellinien und zahlreichen roten Tupfen bemalt.

Der Zustand des Schildes ist recht bedauerlich. Nicht nur, dass sich im Laufe der Zeit die Mittelfuge geöffnet und damit auch der Pergamentüberzug einen langen Riss bekommen hat, auch ist an zahlreichen Stellen die Farbe vollständig abgeblättert. Vor allem im unteren Drittel ist von der Bemalung der Vorderseite kaum etwas erhalten. Eine umfangreiche Restaurierung in den letzten Jahren hat daran wenig ändern können.

Mein Nachbau

Ich liebäugele schon seit einer halben Ewigkeit mit dem Gedanken, den Hochmeisterschild Karls von Trier nachzubauen. Denn der Deutsche Orden ist schon seit langem einer der Interessensschwerpunkte von Past Present Promotions. Es waren aber ständig irgendwelche anderen Projekte dringender. Die Corona-Krise hat mir dann die Zeit verschafft, mich endlich auch an dieses Projekt zu wagen.

Mein Hochmeisterschild
Mein Nachbau des Hochmeisterschildes des Karl von Trier. Foto: Christian Peitz.

Ein wirkliches Replikat, also ein dem Original in Material und Bauart exakt folgender Nachbau, kam für mich von Anfang an nicht in Frage. Meine Schilde bestehen alle aus Pappelsperrholz, 3 Lagen je 3 mm, mit gleichmäßiger Wölbung auf einer Biegeform gebogen und verleimt. Auch für die äußere Form habe ich eine meiner Standard-Schablonen verwendet: 100 cm hoch und 60 cm breit (vor dem Biegen versteht sich). Die Innenseite ist, ebenfalls vom Original abweichend, mit Leinwand und nicht mit Rohhaut belegt. Letztere habe ich nur auf die Außenseite gezogen.

Innen und außen habe ich Kreidegrund aufgebracht. Darauf folgte eine Bemalung mit handelsüblichen Abtönfarben. Das Gold der Kreuze des Hochmeisterwappens und das Silber des Helms ist Flüssigmetall eines französischen Herstellers. Zum Schutz der Oberfläche, quasi als Firnis, habe ich dann alles noch zweimal mit Hartwachsöl, einer Parkettversiegelung, gestrichen.

Als Grundlage für meine Arbeit hat mir ein recht hoch aufgelöstes Foto gedient, dass ich dankenswerter Weise vom Zeughaus Innsbruck erhalten habe. Leider war aber auch darauf das Rankenwerk so schlecht zu erkennen, dass das bei mir weitgehend der Fantasie entsprungen ist. Nur hier und da habe ich ein paar schemenhafte Details erkennen können. Insgesamt weicht meine Bemalung an zahlreichen Stellen von der Vorlage ab. Das liegt vor allem daran, dass mein Schild minimal abweichende Maße hat und längst nicht so schief ist wie das Original. Auch bei der Bemalung selbst habe ich manch schiefe Stelle begradigt. Ich glaube aber, dass der Gesamteindruck ganz gut rüber kommt – und darauf kommt es mir an.

Zwischendurch habe ich mich immer wieder gefragt, was ich da eigentlich mache. Nach etwa 70 Stunden Arbeit und dem Einsatz von gut 100 € Material ist der Hochmeisterschild nun endlich fertig. In Zukunft wird der Hochmeisterschild eines der Highlights unseres Deutschordens-Displays sein.

Literatur

Lattanzi, Stella et al.: Ein Hochmeisterschild des Deutschen Ordens um 1320. Konservierung und Restaurierung von Holztafelgemälden – Erfahrungen aus der Praxis. Beiträge zur gleichnamigen Fachtagung vom 8. bis 10. Mai 2015 in Dresden, Bonn 2019, S. 106-114.

Graf Trapp, Oswald: Deutschordensschilde aus Reifenstein. In: Veröffentlichungen des Museums Ferdinandeum, Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum (Hrsg.), Bd. 20/25.Innsbruck 1940/45, S. 27–53.

Mein Rückblick auf die Jahre 2018 und 2019

Wow, in den letzten beiden Jahren hat sich bei uns so viel getan. So war Ende 2018 für eine Zusammenfassung des Jahres gar keine Zeit. Daher will ich nun einen Rückblick auf die Jahre 2018 und 2019 wagen.

Frühjahr 2018 – wir renovieren

2018 begann ebenso arbeitsreich, wie 2017 aufgehört hatte. Denn „zwischen den Jahren“ haben wir einen Teil unserer Räumlichkeiten renoviert. Eigentlich sollte der Seminarraum – der auch einen Teil unserer Literatur und die Kostüme beherbergt – dann im Februar fertig für die weitere Nutzung sein. Aber das Möbelhaus hat uns dann einen Strich durch die Rechnung gemacht. Letztendlich wurde es dann Mitte des Jahres, bis alles soweit eingerichtet war. Das Ergebnis kann sich aber sehen lassen, wie wir glauben. In diesem Raum kann man guten Gewissens wieder Gäste empfangen.

Die Nordwands unseres Seminarraums
Die Ecke zwischen Nord- und Westwand unseres Seminarraums mit dem großen Bücherregal und den Vitrinen für Keramik und Kleinkram zu Kelten, Römern, Germanen, dem Früh-, Hoch- und Spätmittelalter sowie den Stangenwaffen.
Die Westseite unseres Seminarraums.
Die Westwand unseres Seminarraums: Schilde, Schuhschrank, Bücherregal – lange wird der Platz nicht reichen.
Ein Projekt für zwei Jahre: Der Kastenhof Landau – das Museum für Steinzeit und Gegenwart

Schon im November 2017 bin ich selbst in ein neues Langzeitprojekt eingestiegen. In Landau an der Isar galt es, das bisherige Niederbayerische Archäologiemuseum auf neue, moderne Füße zu stellen. Als fünftes Mitglied eines Teams aus Archäologen und Museumspädagogen habe ich die nächsten zwei Jahre an diesem Projekt gearbeitet. Was sich hier in ein paar Sätzen liest, war ein riesen Haufen Arbeit, aber es hat sich wirklich gelohnt. Ende Oktober 2019 konnten wir dieses Projekt als Kastenhof Landau – Museum für Steinzeit und Gegenwart abschließen und die neue Ausstellung der Öffentlichkeit übergeben. Besucher und Medien sind begeistert vom neuen Museum – und der Bürgermeister ist es auch.

Kleine und nicht ganz so kleine Veranstaltungen 2018 und 2019

Sowohl 2018 als auch 2019 haben wir wieder an den „Mittelalter erleben“-Tagen auf Burg Nideggen teilgenommen. Unter der Federführung des Deutschen Ritterkonvents haben wir dort unsere Zelte aufgebaut. Mir selbst oblag dabei wieder der Moderation der täglichen Moden- und Rüstungsschauen.

2018 waren wir mit vier Darstellerinnen und Darstellern auch wieder beim „Tag der Archäologie“ in der Außenstelle Titz des LVR-Amtes für Bodendenkmalpflege zu Gast. Wie schon in den Jahren zuvor haben wir die Häuser des keltischen Hofes mit Leben gefüllt, mit Kindern geschnippelt und gekocht und den Besuchern Kleidung und Bewaffnung der Kelten erklärt. Seitdem findet die Veranstaltung nicht mehr jedes Jahr statt, sondern immer im Wechsel mit dem Stiftshoffest der Außenstelle Nideggen. Dort war ich dann tatsächlich auch 2019 als römischer Lederhandwerker zu Gast und habe mit den jugendlichen Besuchern Lederbeutelchen hergestellt.

Im Juli 2018 waren wir dann mit einer kleinen Abordnung bei der 800-Jahr-Feier in Mahlberg in Baden-Württemberg zugegen. Dort galt es, den Hofstaat Friedrichs II. darzustellen. Ich selbst habe – wie könnte es auch anders sein – als Seneschall die Moderation des Hoftages übernommen.

Eine feste Veranstaltung in unserem Kalender war dann, sowohl 2018 als auch 2019, wieder das Kinderfest im Jugendfreizeitheim in Bochum-Riemke. Leider wird dieses tolle Fest, das Jahr für Jahr mehrere hundert Kinder – und oft auch deren Eltern – begeistert hat, in den nächsten Jahren pausieren müssen. Größere Umbaumaßnahmen auf dem Gelände werden in den nächsten beiden Jahren eine solche Veranstaltung nicht mehr zulassen.

August 2018: Unser erstes Römerfest

Im August 2018 hatten wir dann eine Premiere: Wir haben unser erstes Römerfest organisiert. Die Römerthermen Zülpich – Museum der Badekultur hatten 10-jähriges Jubiläum. Da wir 2017 das Mittelalterfest für den Zülpicher Geschichtsverein erfolgreich organisiert hatten, hatte das Museum bei uns angefragt, ob wir eine solche Veranstaltung auch mit Römern können. Nun, die Strukturen sind in der Römerszene etwas anders als im neudeutschen Marktmittelalter, aber unsere eigene Ausrüstung war ja schon da und mit ein bisschen Recherche – klar, können wir. Legionäre, Gladiatoren, Musiker und Handwerker aus der Germania inferior waren zahlreich anwesend, dazu die letzten Reste der Kelten  und ein paar germanische Föderaten. Damit war die Saison 2018 für uns – bis auf ein bisschen Kleinkram – auch schon beendet.

Past Present Promotions als Kelten und ein Germane 2018 in Zülpich.
Ein Rhein-Weser-Germane, zwei Kelten und eine Keltin – Christian, David, Oliver und Stefanie auf unserem Römerfest 2018 in Zülpich.
Mai 2019: Zu Gast im LVR-LandesMuseum Bonn

Die Outdoor-Saison begann dann für uns wieder im Mai 2019. Wir waren zu Gast im LVR-LandesMuseum Bonn. Ein kleiner mittelalterlicher Handwerkermarkt sollte es sein anlässlich des Familientages im Rahmenprogramm der Familien-Mitmachausstellung „Ritter und Burgen“. Im Skulpturenhof des Museums waren Bronzegießer, Färberin, Schuster, Täschner und Schildbauer zugegen und haben nicht nur ihr Handwerk vorgeführt, sondern sich auch jede Menge Löcher in den Bauch fragen lassen. Für unseren Ritter auf dem Vorplatz galt natürlich dasselbe.

David als Johann von Haiger
David als Johann von Haiger auf dem Vorplatz des LVR-LandesMuseums Bonn. Foto: Frauke Brückner, LVR-Museumksverbund.
Christian als mittelalterlicher Täschner.
Christian als Täschner und Gürtler. Foto: Frauke Brückner, LVR-Museumsverbund.
Juni 2019: Das Brandenburgfest – leider zum letzten Mal

Im Juni waren wir – allerdings nicht vollzählig – auf der Brandenburg auf der thüringischen Seite im Werratal. Eine Woche lang mittelalterlich die Seele baumeln lassen hieß es für die meisten Aktiven dort – außer natürlich für das tolle Orgateam vom Brandenburgverein. Doch am letzten Tag, für den ich mich extra auf die Autobahn gemacht hatte, galt das nicht. Es wurde nämlich am abschließenden Sonntag ein Turnier abgehalten, und das braucht Reiter, Turnierhelfer – und einen Herold. Und da kamen wir ins Spiel. Leider wird es diese wunderbare Veranstaltung dort in Zukunft nicht mehr geben.

September 2019: Unser mittelalterlicher Handwerkermarkt auf Burg Nideggen

So wie das Römerfest in Zülpich unser Höhepunkt 2018 war, so war der Höhepunkt in 2019 unser mittelalterlicher Handwerkermarkt auf Burg Nideggen. Im Oktober konnte das Burgenmuseum Nideggen seinen 40sten Geburtstag feiern. Aus diesem Anlass hat die Museumsleiterin Luzia Schlösser nicht nur eine neue Ausstellung zur Keramik der Region Raeren-Langerwehe neu eröffnet, sondern uns auch mit der Organisation eben jenes Mittelaltermarktes betraut.

Der mittelalterliche Schreiner
Unter den kundigen Händen des Tischlers entsteht ein Stuhlbein. Foto: Doris Bison.

Na ja, und wenn schon eine solche Veranstaltung auf die Beine stellen, dann eben auch richtig. Klar, so wirklich groß war das Gelände nicht – wir hatten hauptsächlich die Fläche des Palas zur Verfügung (der aber immerhin der größte Palas des Rheinlandes war) – aber dafür konnten wir wie bei uns üblich wieder tolle Handwerker zusammen trommeln, die ihr Handwerk auch fast alle auf dem Markt vorgeführt haben. Und so sind auf dem Markt unter anderem bedruckte Stoffe, Messerscheiden, Gürtel und Gürteltaschen, Schilde, Steinskulpturen, jede Menge Töpferwaren (na klar, bei dem Anlass) und, mein persönliches Highlight, stückchenweise ein wunderbarer Hocker komplett aus einem rohen Stück Baumstamm entstanden.

Das Myhlsteyn-Duo.
Das Myhlsteyn-Duo spielt den Besuchern beim Mittelalterfest auf Burg Nideggen auf. Foto: Conny Meyer.

Klar, Musik gab es auch. Immer wieder hat das Myhlsteyn-Duo für Besucher aufgespielt. Für das leibliche Wohl hat das Burgrestaurant gesorgt. Damit dürfte das der erste Mittelaltermarkt gewesen sein, dessen Caterer einen Stern im Guide Michelin hat! Und da bei so wunderbar unterhaltenen Besuchern niemand schlechte Laune hatte, hatte die Burgwache eine ruhige Zeit. Einen hübschen kleinen Film von unserer Veranstaltung hat Stefan Grates bei Youtube eingestellt.

Museen, Museen, Museen – und die VHS

Ich selbst war natürlich auch wieder reichlich an verschiedenen Museen unterwegs. Mehr als 370 Einsätze waren es 2018, 330 waren es 2019. Darunter waren auch eine ganze Reihe von Einsätzen als Ritter in der Ausstellung „Ritter & Burgen“ am LVR-LandesMuseum Bonn und noch mehr Unterrichtsstunden als Lehrer zur Kaiserzeit im LVR-Freilichtmuseum Kommern. 2019 waren es weniger Einsätze, da ich seit September wieder in Festanstellung bin: In Teilzeit als pädagogischer Mitarbeiter bei einem freien Träger der offenen Jugendarbeit. Ach ja, und natürlich unterrichte ich auch immer noch 4 Stunden in der Woche Biologie und Geschichte an einer Abendschule.

Ein neuer Partner

Im September haben wir uns auch Verstärkung geholt. David Blum, mit dem wir schon lange beim Deutschen Ritterkonvent aktiv sind, ist bei uns eingestiegen. Mit ihm haben wir endlich einen Kaufmann und IT-Spezialisten im Team. Er wird uns in Zukunft bei der Kundenakquise, beim Marketing und bei unserem Webauftritt helfen. Wie auch Oliver, Norman und ich hat auch er noch einen „richtigen“ Job.

2020 – Zeit zum Luftholen

Insgesamt waren es zwei mehr als ausgefüllte Jahre. 2020 ist ein bisschen weniger Action geplant. Größere Veranstaltungen stehen nicht an. Das bedeutet, dass wir uns voll in die Planung für 2021 und die folgenden Jahre stürzen, die Ausrüstung auf Vordermann bringen, endlich mal ein paar noch ungelesene Fachbücher durcharbeiten und eventuell ja auch ein paar mehr Artikel schreiben können.

Na klar sind wir 2020 wieder auf Burg Nideggen: Am 16. und 17.05. bauen wir dort unsere Zelte auf. Wir werden natürlich auch wieder als Kelten beim Tag der Archäologie in Titz am 20.06.2020 dabei sein. Am Tag darauf bin ich dann auch schon wieder als mittelalterlicher Baderchirurg auf dem mittelalterlichen Familientag in den Römerthermen Zülpich – Museum der Badekultur zu sehen – Gänsehaut garantiert! Am 05. und 06.09. sind wir dann mit einer kleinen Abordnung in Simmerath-Eicherscheid und geben uns auf der dortigen 650-Jahr-Feier die Ehre.

Was sonst noch kommt? Wissen wir selbst noch nicht. Aber wir werden es euch wissen lassen. Garantiert.

Der Klosterbau im MIttelalter

Bei unseren Veranstaltungen kommen wir zwangsläufig auch immer wieder mit dem Klosterbau in Berührung. Die Klosterbauten des Mittelalters und ihre Gestaltung folgten nicht nur repräsentativen Zwecken. Vielmehr mussten sie vor allem den Anforderungen entsprechen, die sich aus den täglichen Aufgaben der geistlichen Gemeinschaft ergeben.

Auffällig an einem Kloster ist natürlich zunächst einmal die Kirche. Doch zu einem Kloster gehört natürlich mehr. Eine Vielzahl von Gebäuden schließt sich an die Kirche an und umgibt sie.

Die Kirche im Kloster Maria Laach – ein Musterbeispiel

Die Kirche des Benediktinerklosters Maria Laach am Ufer des Laacher Sees in der Eifel ist ein Musterbeispiel für eine solche Klosterkirche. Sie ist eine romanische Basilika. Viele Elemente erinnern an die großen Kaiserdome in Speyer, Mainz und Worms. Diese Anspielung auf die nicht ganz unbedeutende Stellung des Klosterstifters, Pfalzgraf Heinrichs II., hat man im Mittelalter gut verstanden.

Die romanische Basilika des Klosters Maria Laach von Nordwesten.
Die romanische Basilika des Klosters Maria Laach von Nordwesten. Foto: Sabine Peitz.

Im Osten wird das Langhaus der Kirche mit seinen beiden Seitenschiffen vom Querhaus begrenzt, an das sich wiederum der Chor mit der Apsis anschließt. Über der Vierung, der Kreuzung von Lang- und Querhaus, und an den Chorflanken erheben sich Türme.

Der Grundriss der Basilika von Maria Laach.
Der Grundriss der Basilika von Maria Laach. Dem Westwerk mit kleinem Chor ist das Paradies vorgelagert. An das Mittelschiff mit seinen fünf Jochen schließen sich beidseitig die Seitenschiffe an. Östlich davon das Querhaus mit Vierung. An der Ostseite jedes Armes des Querhauses eine Seitenkapelle mit je einem Nebenaltar. Der Hochaltar steht in der Apsis des zweijochigen Chores. Das Chorgestühl mit Chorschranke steht in diesem Klosterbau nicht im Chor, sondern am Übergang vom Mittelschiff zur Vierung. Gemeinfrei.
Das Chorgestühl

Im Inneren der Kirche war im Mittelalter der Chor, also der Bereich, in dem sich die Mönche zum Gebet versammelten, durch die Chorschranke, eine mehr als mannshohe Wand, abgetrennt. Das Chorgebet konnte folglich von der Gemeinde der Laien im Langhaus der Kirche nur mit den Ohren, nicht aber mit den Augen verfolgt werden. Heute sind die Chorschranken in fast allen Klosterkirchen entfernt. Die Reformen der Liturgie und nicht zuletzt die Säkularisierung haben sie überflüssig werden lassen. Letztere sorgte dafür, dass ehemalige Stifts- und Klosterkirchen in Gemeindekirchen umgewandelt wurden. Die Chorschranken, die den freien Blick vom Gemeinderaum der Kirche zum Hochalter verstellten, mussten daher weichen.

Längsschnitt durch den Innenraum der Kirche des Klosters Maria Laach.
Längsschnitt durch den Innenraum der Kirche des Klosters Maria Laach. Über dem Westchor die Empore. Unter dem Ostchor liegt die Crypta. Grafik: Dr. Christian Peitz
Bollwerk gegen das Böse: das Westwerk

Als Besonderheit und abweichend von der allgemeinen Grundform einer Klosterkirche, jedoch durchaus nicht einmalig, ist der anderen Seite ein mächtiges Westwerk vorgelagert, ebenfalls durch drei Türme bekrönt. Wie eine Burg stellt es sich dem aus der Richtung des Sonnenunterganges drohenden Bösen entgegen.

Der ursprüngliche Zweck des Westwerkes ist bis heute nicht klar. Möglicherweise war auf seiner Empore eine Herrscherkapelle eingerichtet, in der die Familie des Stifters dem Gottesdienst der Mönche beiwohnen und diesen von der erhöhten Position aus auch wirklich beobachten konnte. Doch auch eine Rolle in der Liturgie an ausgewählten Festtagen ist nicht auszuschließen.

Der Westchor

In vielen Klosterkirchen gibt es neben dem Hochchor im Osten noch eine zweite Choranlage im Westen – so auch in Maria Laach. Diese zweite Choranlage spiegelt jedoch nicht, wie vielfach angenommen, den Gegensatz zwischen kaiserlicher und päpstlicher Macht wieder. Vielmehr diente ausschließlich liturgischen Zwecken. In den Kirchen der Frauenklöster und Kanonissenstifte befindet sich der Westchor meist auf einer Empore. Dort konnten die Damen ebenfalls den Gottesdienst feiern. Das war vor allem an den hohen Festtagen wichtig. Denn dann waren auch Laien in der Kirche anwesend und die sollten keinen Blick auf die Nonnen bzw. Stiftsdamen werfen können.

Doch zu einem Klosterbau gehört mehr als nur die Kirche, denn die Menschen im Kloster verbringen ihre Zeit ja nicht nur im Gebet. Eine Vielzahl von Gebäuden und Einrichtungen dient dem Leben und der Arbeit der Brüder beziehungsweise Schwestern.

Das Ideal von einem Klosterbau: Der Plan von Sankt Gallen

Die Bauten der frühen klösterlichen Gemeinschaften waren noch sehr uneinheitlich. Dies blieb auch noch lange so, nachdem Augustinus und nach ihm Benedikt von Nursia ihre Regeln aufgestellt und der mönchischen Bewegung einen festen Rahmen gegeben hatten. Ausgehend von den Erfordernissen des klösterlichen Lebens entwickelten die Mönche – und Nonnen – im Laufe der Zeit jedoch die Vorstellung von einem idealen Klosterbau.

Diese Idee ist der Nachwelt in Form des Sankt Galler Klosterplanes überliefert. Obwohl der Plan nie in die Realität umgesetzt wurde (stimmt nicht, das Projekt „Campus Galli“ widmet sich genau diesem Vorhaben), ist er doch Vorbild für nachfolgende Klosterbauten. Entstanden ist der Plan um das Jahr 819 auf der Insel Reichenau. Der dortige Abt Heito I. wollte wohl seinem Amtskollegen Gozbert von St. Gallen eine Anleitung für seinen geplanten Klosterneubau an die Hand geben.

Umzeichnung des Klosterplans von St. Gallen.
Umzeichnung des Klosterplans von St. Gallen. Zeichnung: Enzyclopaedia Britannica, gemeinfrei.
Zentrum in jedem Klosterbau: die Klausur

Kernstück des Planes ist die Klausur, also der nur den Mönchen zugängliche Bereich. Das Zentrum der Klausur ist der Kreuzgang, der auf dem St. Galler Plan südlich an die Kirche anschließt. Er verbindet die einzelnen Gebäude der Klausur und dient als Wandelgang der inneren Einkehr der Mönche. Um ihn herum sind von Ost nach West der Schlafsaal –das Dormitorium – mit Bad und Abort, der Speisesaal – das Refektorium – mit Küche und der Vorratsraum angeordnet. Der Kapitelsaal, sozusagen der „Tagungssaal“ der Klosterleute, der später zur Standardausstattung der Klöster gehören sollte, fehlt noch. Seine Aufgabe übernimmt im St. Galler Plan der Nordflügel des Kreuzganges. Auch ein Sprechraum, das Auditorium, ist noch nicht eingeplant, da im Kreuzgang wohl noch keine strenge Schweigepflicht herrschte.

Zeichnerische Umsetzung vom Klosterbau von Sankt Gallen.
So hätte die Ausführung des Klosterplans von St. Gallen aussehen können. Zeichnung: Lasius, gemeinfrei.
Was sonst noch nötig ist im Klosterbau

Alle anderen Einrichtungen sind um die Klausur herum geplant. Novizenschule und Krankenhaus verfügen gemeinsam über eine eigene kleine Kirche, die im Osten in der Verlängerung der Hauptkirche liegt. Auch der Friedhof liegt im Osten, da aus dieser Richtung das Heil kommt. Werkstätten und Wirtschaftsgebäude, die der Versorgung des Klosters dienen, sind im Süden und Südwesten angeordnet, das Gästehaus liegt westlich der Klosterkirche.

Mit den Klosterreformen des hohen Mittelalters, aber auch der Gründung neuer Orden in dieser Zeit, differenzierten sich die Anforderungen an die klösterlichen Anlagen. So entwickelte im Laufe der Zeit jeder Orden seine eigenen architektonischen Eigenheiten.

Alle Macht den Klöstern: Cluny

Schon der Klosterbau des St. Galler Planes hat Ausmaße, die selbst die meisten Königspfalzen nicht einmal annähernd erreichten. Doch der St. Galler Plan wurde von so mancher tatsächlich errichteten Klosteranlage noch weit in den Schatten gestellt. Zu diesen großen Klöstern gehörte Cluny, der Ausgangspunkt der kluniazensischen Klosterreform innerhalb des Ordens der Benediktiner.

Rekonstruktion vom Klosterbau Cluny im 12. Jahrhundert von Osten gesehen.
Rekonstruktion des Klosters Cluny im 12. Jahrhundert von Osten gesehen. Zeichnung: Sabine Peitz.

Das Kloster Cluny in Burgund nahm im 10. Und 11. Jahrhundert eine Vorreiterrolle ein bei der Wiedereinführung von Zucht und Ordnung in die bis dahin recht weltlich gewordenen benediktinischen Klöster. Seine Konzentration auf die Liturgie und das Gebet führte zu einem enormen Zulauf an Mitgliedern. Bald wurde die Kirche zu klein, um die ständig wachsende Gemeinschaft aufzunehmen. 1088 nahm daher Abt Hugo I. den Bau einer neuen Kirche und den Umbau der restlichen Anlagen in Angriff. Das Ergebnis, als Cluny III bekannt, war ungeheuerlich.

Bis zu 1.200 Mönche und Laienbrüder lebten hier. Ja, der Klosterbau war so groß, dass 1245 ein Treffen zwischen dem französischen König Ludwig dem Heiligen und Papst Innozenz IV mitsamt ihrem jeweiligen Gefolge stattfinden konnte, ohne dass der normale Klosterbetrieb in irgendeiner Weise gestört wurde.

Mönche und Konversen

In der Regel des heiligen Benedikt nehmen Gebet und Arbeit den gleichen Stellenwert ein – mit „ora et labora“ wird das Regelwerk gerne zusammengefasst – auch wenn die körperliche Arbeit vor allem als Ausdruck der Demut angesehen wurde. Im Rahmen der kluniazensischen Reform wurde der Schwerpunkt jedoch in Richtung Gebet und Gottesdienst verschoben. Denn das Gebet wurde von nun an als die Arbeit der Mönche angesehen. Dennoch musste irgendjemand die tagtäglichen Arbeiten in Küche und Garten verrichten.

Daher gab es zum Ausgleich die Gemeinschaft der Konversen, der Laienbrüder. Die Konversen stammten, anders als die Chormönche, nicht aus dem Adel, sondern aus dem Bauernstand und später auch dem städtischen Bürgertum. Ihre Aufgabe bestand in der Verrichtung der zur Versorgung des Klosters anfallenden Arbeiten. Ihr Tagesablauf folgte eigenen, weniger vom Gottesdienst bestimmten Regeln. Aus diesem Grund wurden für die Konversen auch eigene Räumlichkeiten, komplett mit Dormitorium, Refektorium und Latrinen, nötig. Mönche und Konversen sollten sich in ihrem Tagesablauf ja möglichst nicht gegenseitig stören. Im Kloster Cluny III lag der Konversentrakt im Westen des Klausurbereiches, in der Nähe der Herberge und der Stallungen.

Grundriss des Klosters Cluny in seiner größten Ausdehnung.
Grundriss des Klosters Cluny in seiner größten Ausdehnung. Folgende Gebäude zu erkennen: schwarz: Kirche Cluny III und Reste der alten Kirche Cluny II; dunkelblau: Mönchsküche (MK), Laienküche (LK), Bäckerei (B), Lagerraum (Lg) und Refektorium (R); hellblau: Kapitelsaal (K), Sprechraum (S), Mönchssall (M); über diesen Räumen das Dormitorium; dunkelgrün: Hospital mit eigenem Kreuzgang (HKg); hellgrün: Konversentrakt; rot: Räume für hochgestellte Gäste; orange: Herberge (H) mit Stallungen (S); gelb: Noviziat mit Kreuzgang (NKg); weiß: Hauptkreuzgang (Kg), Latrinen, Friedhofskapelle (FK). Grafik: Dr. Christian Peitz.
Die Klöster der Zisterzienser

So verschieden die geistlichen Orden waren, die im Laufe des Mittelalters neben den Benediktinern gegründet wurden, so verschieden war auch die Art, in der ihre Mitglieder neue Klöster errichteten. Noch recht nah an der Grundform des benediktinischen Klosters liegen die Bauten der Zisterzienser.

Die Zisterzienser – benannt nach ihrem ersten Kloster Citeaux, der Zisterze – waren, ähnlich wie zuvor die Reformbewegung von Cluny, Ende des 11 Jahrhunderts aus dem Bestreben hervorgegangen, der Regel des Heiligen Benedikt wieder zu mehr Geltung zu verhelfen.
Auffällig am Klosterbau der Zisterzienser ist zunächst einmal, dass ihre Kirchen, wie auch die Kirchen der Bettelorden, keine Türme haben. Nur ein kleiner Dachreiter über der Vierung nimmt die Glocke auf, die zum Gebet ruft.

Viele Zisterzienserkirchen haben zudem keine Chorapsis. Bei ihnen ist, dem Anspruch der Schlichtheit folgend, der Chor im Westen mit einer geraden Wand abgeschlossen. Ist eine halbrunde Chorapsis vorhanden, ist sie quasi immer von einem Kapellenkranz umgeben – ja, die Vielzahl der dadurch möglichen Kapellen ist sogar der Grund für diese Abweichung vom Idealplan. Beispiele hierfür sind das Kloster Heisterbach im Siebengebirge und das Kloster Altenberg im Bergischen Land.

Grundriss der Klausur von Kloster Maulbronn.
Grundriss der Klausur von Kloster Maulbronn. Die Farben und Abkürzungen im Grundriss entsprechen jenen im Grundriss des Klosters Cluny mit folgenden Ergänzungen: LR: Konversenrefektorium; B: Brunnenhaus; SC: Schranke des Mönchschores. Grafik: Dr. Christian Peitz.
Der Konversentrakt in Zisterzienserklöstern

Bei näherem Hinsehen wird deutlich, dass es sich bei den Klöstern der Zisterzienser um regelrechte Doppelanlagen handelt, in denen Mönche und Konversen jeweils einen eigenen Flügel der Klausur bewohnen. Sie betreten die Kirche sogar durch getrennte Eingänge. Ein Beispiel hierfür ist das Kloster Maulbronn in Baden-Württemberg. In diesem Klosterbau ist der zisterziensische Grundplan fast mustergültig umgesetzt. Einzig der Konversengang fehlt. Das ist ein schmaler Gang zwischen dem Westflügel des Kreuzganges und dem Konversentrakt. Durch diesen Gang konnten die Konversen den westlichen Teil der Kirche erreichen, ohne die Klausur der Mönche betreten zu müssen.

Zeichnung des Klosters Altenberg.
Zeichnung des Klosters Altenberg von Johann Sartor aus dem Jahr 1707. Nach dem Bau der gotischen Kirche hatte Kloster Altenberg zwei Kreuzgänge. Der westliche, ältere Kreuzgang, an dessen Nordseite sich einst die romanische Vorgängerkirche befunden hatte, diente den Konversen. Der neue Kreuzgang war den Mönchen vorbehalten. Außer der Kirche ist heute nicht mehr viel von dieser Klosteranlage übrig. Gemeinfrei.

Tatsächlich hatten die Kirchen der Zisterzienser ein zweites Chorgestühl, westlich des Chorgestühls der Mönche. In manchen Klöstern der Zisterzienser gab es sogar noch ein drittes, kleines Chorgestühl für die Kranken. Das Chorgestühl der Mönche befand sich bei den Kirchen der Zisterzienser übrigens nie im Chor östlich der Vierung, sondern immer im Mittelschiff. Von dort ragte es höchstens bis in die Vierung hinein. In dem meist kleinen Chor hätte das Chorgestühl auch meist keinen Platz gefunden.

Rekonstruktion der Kirche von Kloster Heisterbach.
Rekonstruktion der Kirche von Kloster Heisterbach. Links die Chorapsis mit umlaufendem Kapellenkranz. Ansicht von Norden. Von der einst imposanten Anlage ist nur noch die Chorapsis mit dem Kapellenkranz erhalten. Gemeinfrei.
Das Kloster als Wirtschaftshof

Rund um die Klausur erstrecken sich in den Klöstern der Zisterzienser zudem zahlreiche Wirtschaftsgebäude. Denn die Zisterzienser sind von ihrem Grundsatz her Selbstversorger. Alle Dinge des täglichen Bedarfs mussten von den Ordensmitgliedern selbst angebaut und hergestellt werden. Anders als bei den Benediktinern wurde das zum Kloster gehörende Land weder an Bauern verpachtet noch zu Lehen vergeben.

Zeichnung der Gesamtanlage des Klosters Maulbronn.
Zeichnung der Gesamtanlage des Klosters Maulbronn. Gemeinfrei.
Die Kartäuserklöster – Gemeinschaften von Einsiedlern

Die beschriebene Grundform des Klosters wurde mit den jeweiligen Eigenheiten nicht nur bei Benediktinern und Zisterziensern umgesetzt. Auch bei den im hohen Mittelalter entstandenen Orden der Franziskaner und Dominikaner und den quasi allen anderen Ordensgemeinschaften erfolgte der Klosterbau nach diesem Muster.

Grundriss der Kartause von Clermont.
Grundriss der Kartause von Clermont von Eugène Viollet-le-Duc. Gemeinfrei.

Die Klöster der Kartäuser sind hingegen völlig anders aufgebaut. Jeder Mönch bewohnt hier, quasi als Einsiedler, ein eigenes kleines Haus mit Garten. Die Häuser sind rund um den Kreuzgang angeordnet, der auch als Friedhof dient. Die Kirche ist relativ klein, da die „Klostergemeinschaft“ nur wenige Mitglieder hat. Eine wirkliche klösterliche Gemeinschaft bilden die halb einsiedlerischen Kartäuser, denen das Reden außerhalb des Gebetes strengstens verboten ist, nicht.

Literatur

Theodor Bogler: Maria Laach. Regensburg 1997.

Yves Christe/Hanna Losowska/Roland Recht/Tania Velmans: Handbuch der Formen- und Stilkunde – Mittelalter, Stuttgart; Berlin; Köln; Mainz 1992.

Joan Evans: Blüte des Mittelalters, Eltville 1986.

Gudrun Gleba: Klosterleben im Mittelalter, Darmstadt 2004.

Clemens Kosch: Kölns romanische Kirchen. Architektur und Liturgie im Hochmittelalter, Regensburg 2000.

Bernhard Schütz: Klöster, München 2004.

Die Entstehung der Grundherrschaft im frühen Mittelalter

Die Gründe für die Entstehung der Grundherrschaft im frühen Mittelalter waren vielschichtig. Sie beruhten einerseits auf Entwicklungen, die in der römischen Spätantike angelegt worden waren. Andererseits lagen ihre Ursprünge in der Struktur der germanischen Gesellschaft. Im frühen Mittelalter entwickelte sich aus diesen beiden Wurzeln im westlichen Teil des Frankenreiches, auf dem Boden der ehemaligen gallischen Provinzen, die klassische Form der Grundherrschaft, das Villikationssystem.


Außerhalb dieser Region fand diese Form der Agrarverfassung nur allmählich und dann auch nicht flächendeckend ihre Anwendung. Bis zum Ende des Hochmittelalters hatte sich die klassische Form der Grundherrschaft schon wieder aufgelöst.


Die Ursprünge der Grundherrschaft im römischen Reich


Die für die Grundherrschaft typische Bindung der Bauern an das von ihnen bewirtschaftete Land entstand schon in der römischen Spätantike. Im späten 4. und dann im 5. Jahrhundert verlor die mit Sklaven betriebene Latifundienwirtschaft zunehmend an Bedeutung. Stattdessen siedelten die Eigentümer der villae rusticae verstärkt Kolonen, bäuerliche Pächter, auf ihrem Land an.


Mit dem fortschreitenden Zusammenbruch der staatlichen Ordnung in den westlichen Reichsteilen gingen allmählich viele hoheitliche Funktionen auf die Großgrundbesitzer über. Dadurch gerieten die ursprünglich freien Kolonen in eine immer stärker werdende Abhängigkeit vom Grundeigentümer. Aus der zunächst wirtschaftlichen wurde Stück für Stück schlussendlich auch eine rechtliche Abhängigkeit. Grundlage der Herrschaftsausübung blieb im römischen Reich jedoch immer das Bodeneigentum.


Die Ursprünge der Grundherrschaft in der germanischen Gesellschaft


Die germanische Gesellschaft bestand vor allem aus Freien und halbfreien Knechten. Ob es einen echten Adel bei den Germanen gab, darüber diskutierte man sogar noch zu Zeiten Karls des Großen. Aber natürlich gab es eine Oberschicht, die sich Aufgrund von Herkunft, Leistung oder Erfahrung und damit dem politischen Gewicht klar vom Rest der Bevölkerung abgrenzte. Neben diesen drei Bevölkerungsgruppen gab es jedoch auch bei den Germanen Sklaven, die Unfreien. Im Gegensatz zu den Sklaven im römischen Reich wurden die Unfreien bei den Germanen jedoch nicht kaserniert. Vielmehr siedelte man sie auf eigenen Hofstellen an. Von ihren Erträgen mussten die Unfreien nun Abgaben in Form von Getreide, Vieh und Kleidung an die Herren entrichten. Frondienste gab es bei den Germanen noch nicht. Grundlage der Herrschaft war hier immer die persönliche Abhängigkeit.


Die Entstehung der Grundherrschaft auf den fränkischen Königsgütern


Der salfränkische König Chlodwig hatte im frühen 6. Jahrhundert seine Macht auf die ehemaligen gallischen Provinzen des römischen Reiches ausgedehnt. In der Folge konnte der fränkische Adel, allen voran das Königshaus der Merowinger, zahlreiche römische Landgüter an sich bringen. Auf diesen Königsgütern, später auch auf Gütern der Kirche, entwickelte sich das System der Grundherrschaft mit einem Herrenhof und den davon abhängigen Bauernstellen. Die Anfänge sind im 7. Jahrhundert fassbar. Voll ausgebildet war die Grundherrschaft erstmals im 9. Jahrhundert im mittleren Seine-Gebiet. Von dort aus breitete sie sich vor allem nach Nordosten und Osten aus. Die Grundherrschaft war jedoch nie die einzige Form der Herrschaftsausübung.


Die Ursachen für die Entstehung der Grundherrschaft sind wohl einerseits in der ausgedehnten Rodungstätigkeit vor allem im 8. Jahrhundert zu suchen, andererseits in einer veränderten Wirtschaftsweise. Unter den Merowinger beschränkte sich der Frondienst der freien Bauern auf die „riga“, die Arbeit auf einem kleinen Stück Herrenland. Die Erträge daraus fielen vollständig an den Herrn. Das restliche Herrenland wurde in alter römischer Tradition durch kasernierte Sklaven bewirtschaftet. Seit dem 7. und verstärkt dem Beginn des 8. Jahrhunderts wurden nun aber zunehmend sowohl Kolonen, die als Nachfahren der Gallo-Römer weiterhin nach römischem Recht lebten, als auch Sklaven mit durch Rodung neu geschaffenen Bauerngütern ausgestattet. Diese Vermehrung der Ackerfläche führte gleichzeitig zu einer Intensivierung des Getreideanbaus. Die Viehwirtschaft, vor allem in Form der Waldweide, nahm im gleichen Zuge ab.

Bauern bei der Aussaat. Lutrell-Psalter, p 23 r, um 1330. The British Library


Bei der Viehwirtschaft verteilten sich die nötigen Arbeiten mehr oder weniger gleichmäßig über das Jahr. Beim Getreideanbau jedoch fielen die Arbeiten nun stoßweise an, vor allem vor der Aussaat und bei der Ernte. Das Vorhalten der dafür nötigen Arbeitskräfte in Form von kasernierten Sklaven wurde dadurch unwirtschaftlich. Auf selbständigen Bauernstellen angesiedelte Sklaven hingegen ernährten sich selbst – uns sorgten mit der Gründung eigener Familien auch noch von ganz alleine für einen ständigen Nachschub an Arbeitskräften. Zudem hatten sie, im Gegensatz zu kasernierten Sklaven, ein eigenes Interesse am Ertrag ihres Hofes, von dem Abgaben zu leisten waren.


Das Hufenland – Grundlage der grundherrschaftlichen Landaufteilung


Wichtiger Bestandteil der Grundherrschaft war die Aufteilung des Landes in Mansen – auf deutsch Hufen –, also in Parzellen, die genau so groß waren, dass eine Familie dieses Land bewirtschaften und sich von diesem Land auch ernähren konnte. Eine Hufe ist eine vom Fronhof abhängige, aber selbständig wirtschaftende Bauernstelle mit Hofstatt, Ackerland und den Rechten zur Nutzung der Allmende, also vor allem der gemeinschaftlich genutzten Weide- und Waldflächen.


Der mansus enstand im 7. Jahrhundert in der Umgebung von Paris. Seine Wurzeln hat er sowohl im römischen jugum, der Bemessungsgrundlage für die Besteuerung (jugum ist eigentlich das lateinische Wort für Joch. Im übertragenen Sinn ist es die Fläche, die mit einem Ochsengespann bearbeitet werden kann.) Andererseits liegen die Wurzeln des mansus in der colonica, dem bäuerlichen Familienbetrieb.


Da die Erträge natürlich stark von den klimatischen Verhältnissen und der Bodenqualität abhängen, konnte die Größe einer Hufe sehr unterschiedlich ausfallen. So lagen die Hufengrößen der Abtei Saint-Germain-des-Prés (die dem gleichnamigen Stadtteil von Paris ihren Namen gegeben hat) im 9. Jahrhundert zwischen 0,25 Hektar und 17 Hektar, die der Abtei Lobbes im Hennegau im gleichen Zeitraum zwischen 15 Hektar und 38 Hektar.

Der Übergang von der Sklaverei zur Leibeigenschaft

Mit der Entstehung der Grundherrschaft wurden aus Sklaven Leibeigene. Diese waren an den Leib des Herrn gebunden, arbeiteten auf dem Herrenhof und konnten vererbt werden. Ende des 10. Jahrhunderts war der Übergang von der Sklaverei zur Leibeigenschaft abgeschlossen. Dazu gehörte die Anerkennung der Deliktfähigkeit des Grundhörigen – ein Sklave konnte nicht vor Gericht gestellt werden, sondern wurde von seinem Herrn nach Gutdünken bestraft. Anders als ein Sklave durfte ein Unfreier aber von seinem Herrn auch nicht mehr ohne Grund getötet werden.

Gleichzeitig hatte nicht mehr nur der Herr, sondern zumindest teilweise auch die Familie eines durch Fremdverschulden zu Tode gekommenen Unfreien Anrecht auf das Wergeld. Damit einher ging die nicht nur in der Praxis gelebte, sondern auch rechtlich abgesicherte Ehe- und Vermögensfähigkeit der Unfreien.


Während der Entstehung der Grundherrschaft wurden im Laufe der Zeit immer mehr Sklaven auf abhängigen Bauernstellen angesiedelt. Gleichzeitig mussten die so zu Grundhörigen gewordenen Sklaven immer mehr Frondienste leisten. Über diese Dienste waren die unfreien Bauern mit dem zu bewirtschaftenden Herrenland verschränkt. Im Gegensatz zu einem Leibeigenen ist der Grundhörige nicht an den Leib des Herrn, sondern an den Boden gebunden. Wechselte eine Hufe den Besitzer, wechselten die an die Hufe gebundenen Bauern den Herrn.


Der Weg von freien Bauern in die grundherrschaftliche Unfreiheit

Aus verschiedenen Gründen traten auch immer wieder freie Bauern in einen Fronhof-Verband ein. Der wichtigste Grund war die Befreiung vom Kriegsdienst. Freie Bauern unterlagen dem Heerbann. Für Waffen, Rüstung und in karolingischer Zeit auch immer öfter ein Pferd mussten sie selbst aufkommen. Während eines Kriegszuges stand ihre Arbeitskraft dann auch nicht auf dem eigenen Hof zur Verfügung.


Zudem wurde der Druck auf die freien Bauern künstlich erhöht. Bauern, deren freier Grundbesitz die Begehrlichkeiten eines Großen in der Gegend geweckt hatte, die aber partout nicht verkaufen wollten, wurden in der Folge einfach überproportional häufig zum Kriegsdienst gerufen – so lange, bis sie völlig verarmt waren und ihr Land dann doch übergeben mussten. War das geschehen, konnten sie von nun an zuhause bleiben. Mancher Freie ging sogar so weit, sich selbst verknechten zu wollen, um dem Heerdienst zu entgehen. Das war aber wohl eher die Ausnahme als die Regel und ist nur sehr selten urkundlich belegt.


Bauern, die ihr freies Eigenland verloren und ihr Land fortan als Pächter bestellten, gingen mit dem Grundherrn zunächst ein rein wirtschaftliches Verhältnis ein. Daher gab es neben den unfreien Hufen (mansi serviles) auch freie Hofstellen (mansi ingenuiles) und als Zwischenstufe die minderfreien Hufen, die mansi lidiles. Die Höhe der Abgaben und die Menge der zu leistenden Frondienste waren dabei immer an die Hufe gebunden, unabhängig vom persönlichen Stand des Bauern. Ein persönlich freier Bauer, der auf einer unfreien Hufe saß, musste daher dennoch vergleichsweise mehr Fronarbeit leisten und dafür weniger Pachtabgaben zahlen.


Freie Hufenbauern liefen dennoch Gefahr, den unfreien Hintersassen derselben Grundherrschaft gleichgestellt zu werden. Vor allem reiche Klöster nutzten ihre starke Stellung aus: Sie nahmen die aus den Pachtbedingungen geschuldeten Frondienste als Beleg für die auch persönliche Unfreiheit eines Bauern. So hielten sie die Bauern von den öffentlichen Gerichten fern und unterwarfen sie ihrer eigenen, grundherrschaftlichen Gerichtsbarkeit.


Die Verbreitung des grundherrschaftlichen Systems

Im 9. Jahrhundert breitete sich das klassische System der Grundherrschaft nach Flandern, Ost-Frankreich, England und Nord-Italien aus. In ihrer reinen Ausprägung blieb sie aber beschränkt auf Austrasien, Neustrien und Burgund. Selbst im Kerngebiet, zwischen Seine und Rhein, war das klassische und voll ausgebildete System der Grundherrschaft nicht die häufigste Form der Herrschaft. In Burgund wurde das Herrenland noch im 10. Jahrhundert in der Regel nicht durch fronende Bauern, sondern durch kasernierte Sklaven bewirtschaftet. Fronen mussten die unfreien Bauern hier oft nur an drei Tagen im Jahr.


In Portugal, östlich der Elbe und in Friesland hat es die Grundherrschaft nie gegeben, in Spanien – zunächst der spanischen Mark, im Zuge der Reconquista dann Katalonien und Kastilien – kaum. Auch in Südfrankreich, Mittelitalien und Böhmen war sie immer nur schwach vertreten.


Insgesamt waren trotz Allem immer noch mehr als 50 % der Bauern freie Landeigentümer. Dennoch blieb die Sklaverei für lange Zeit weiter fundamental für die Landwirtschaft sowohl in großen als auch in kleinen Betrieben. So galt es noch um das Jahr 800 als Zeichen bitterer Armut, wenn ein freier Mann keinen Sklaven hatte. Tatsächlich waren es vor allem kirchliche Institutionen, die noch lange Zeit vom Einsatz von Sklaven profitierten. Gemäß den Beschlüssen des 16. Konzils von Toledo im Jahr 693 sollten Pfarrkirchen, die über weniger als 10 Sklaven verfügten, mit anderen Pfarreien zusammengelegt werden. Noch in der karolingischen Gesetzgebung waren für jede Pfarrkirche mindestens vier Sklaven zur Bearbeitung der Kirchengüter vorgesehen.


Alternativen zur Grundherrschaft im frühen Mittelalter


Auch nach der Entstehung der Grundherrschaft existierten mehrere alternative Systeme der Landnutzung. So gab es vor allem in Südfrankreich Herrschaften, in denen alles Land an die Bauern vergeben war. Somit gab es kein Salland und damit auch keine Frondienste. Die Bauern in diesen Herrschaften bestellten ihr Land in Teilbau. Das heißt, dass sie einen festen Anteil, meist 1/10 ihrer Ernte, die taxe, an den Grundeigentümer abführen mussten. Hinzu kamen Naturalabgaben für die Nutzung von Wald und Weide.


Auch in Nordfrankreich gab es praktisch keine Frondienste. Abgaben wurden in Form von Getreide und Holz geleistet, und zwar nicht anteilig, sondern in festen Mengen. Dieses System lässt sich in direkter Linie auf spätrömische Staatsdomänen zurückführen, die vor allem in die Hände der Kirche und einiger weniger Mächtiger im Umfeld des Königs gefallen waren.


Bei einem dritten Alternativtyp waren nur wenige Hufen an freigelassene Sklaven vergeben. Der überwiegende Teil des Landes wurde als Salland auch hier durch kasernierte Sklaven bewirtschaftet, aus denen später Leibeigene wurden.


Der Niedergang der Grundherrschaft im hohen Mittelalter


Schon im 9. Jahrhundert konnte der Verkauf von zur erblichen Nutzung überlassenem Herrenland nicht mehr verhindert werden. Die villae als geschlossene Herrschaftsgebiete lösten sich so schon recht früh allmählich wieder auf. Karl der Kahle musste sich in einem Edikt des Jahres 864 mit eben diesem Problem befassen.


Die Last der Abgaben an den Grundherrn nahm ebenfalls seit dem 9. Jahrhundert kontinuierlich ab. Im 12. Jahrhundert waren die Bodenzinsen unbedeutend geworden. Im 13. Jahrhundert hatten sie vielfach sogar nur noch symbolischen Charakter.


Im 12. Jahrhundert zogen sich die Grundherren außerdem zunehmend aus der direkten Bewirtschaftung ihres Landes zurück. Immer häufiger verpachteten sie ihr Land parzelliert an die Bauern. Auch viele Herrenhöfe wurden nun nicht mehr selbst mittels eines Meiers betrieben, sondern verpachtet. Gleichzeitig wandelten die Grundherren die Frondienste in Geldabgaben um. Somit verschwand auch die Leibeigenschaft. Aus Leibeigenen wurden Grundhörige.


Begünstigt wurde diese Entwicklung im 13. Jahrhundert durch die Welle von Stadtgründungen. In den Städten mit ihrer stärker arbeitsteiligen Gesellschaft fanden die Bauern die Märkte, auf denen sie ihre Ernteüberschüsse in bare Münze umwandeln konnten. Nur die Klöster hielten vielfach bis in das 13. Jahrhundert am klassischen System der Grundherrschaft fest.


Trotz allem blieb die Last der Abgaben für die Bauern hoch. Oft lieferten die Äcker als Ertrag nur das 2,5- bis 4-fache der Aussaat. Das bedeutete, dass zwischen 25 % und 40 % der Ernte für die nächste Aussaat zurückgehalten werden musste. Selbst eine vergleichsweise geringe Abgabenlast konnte da schnell einen erheblichen Teil der als Nahrungsmittel nutzbaren Vorräte ausmachen.


Zusätzliche Belastungen durch die Burgherrschaft


Neben der Grundherrschaft entwickelte sich seit dem 10. Jahrhundert vor allem in Frankreich die Burg- bzw. Bannherrschaft. Zum Schutz gegen die Einfälle der Wikinger und der Ungarn – und in Frankreich und Italien auch gegen die Sarazenen – hatten die französischen Könige und die römisch-deutschen Könige und Kaiser vermehrt begonnen, Burgen zu bauen.

Als Gegenleistung für den Schutz verlangten die Burgherren, die sich angesichts eines zunächst vor allem in Frankreich schwachen Königtums rasch von ihren Herren frei machen konnten, von den Bauern in der Umgebung ihrer Burg Abgaben und Frondienste, die consuetudines. Diese waren für alle Bauern gleich, egal ob frei oder unfrei. Dadurch und durch die immer geringer werdenden grundherrschaftlichen Abgaben und Dienste verwischten sich die Grenzen zwischen freien und unfreien Bauern immer mehr.


Neben Abgaben und Frondiensten verlangten die Burgherren auch die Gastung für ihre Leute, also Kost und Logis. Vielfach verhängten sie, ebenso wie die Grundherren, den Mühl- und Backzwang und requirierten Wagen und Gerät. Zudem übten die Burgherren vermehrt die niedere Gerichtsbarkeit aus, die eigentlich bei den Grundherren lag. Voll durchsetzen konnte sich dieses System im Laufe des 12. Jahrhunderts. Burg- und Grundherrschaft waren zwar formal zwei getrennte Herrschaftstitel, lagen aber spätestens seit dem 13. Jahrhundert meist in einer Hand. Die Belastung für die Bauern wurde dadurch jedoch nicht geringer.


Literatur


Gilomen, Hans-Jörg: Wirtschaftsgeschichte des Mittelalters. München 2014.


Rösener, Werner: Agrarwirtschaft, Agrarverfassung und ländliche Gesellschaft im Mittelalter. Enzyklopädie Deutscher Geschichte Band 13. München 1992.

09. November

Kaum ein anderes Datum ist für die Demokratie in Deutschland von so großer Bedeutung wie der 09. November. Gleich mehrere wichtige Ereignisse jähren sich an diesem Tag.

Der Fall der Berliner Mauer

Zunächst ist da der Fall der Berliner Mauer vor 29 Jahren. Günter Schabowski, verkündete damals – aus Unkenntnis mehrere Stunden früher als eigentlich geplant – auf einer Pressekonferenz des ZK der SED die Möglichkeit für jeden Bürger der DDR, auszureisen. Damit war der Anfang vom Ende der DDR-Diktatur eingeleitet.

Die „Kristallnacht“

Ein weit weniger erfreuliches Ereignis war die Kristallnacht am 09. November 1938, vor 80 Jahren. Sie war der Höhepunkt der Novemberpogrome, in denen, organisiert und gelenkt vom Regime der Nationalsozialisten, mehr als 400 Menschen jüdischen Glaubens getötet, tausende Wohnungen und Geschäfte verwüstet und mehr als 1.400 Synagogen und Gebetsstuben zerstört bzw. in Brand gesteckt wurden.

Die Geburt der ersten deutschen Republik am 09. November 1918

Genau zum einhundertsten Mal jährt sich die Gründung der ersten Deutschen Republik in Berlin. Am 09. November 1918 verkündete Reichskanzler Max von Baden die Abdankung Kaiser Wilhelms II. Am frühen Nachmittag desselben Tages rief der SPD-Politiker Philipp Scheidemann auf dem Westbalkon des Reichstages die Republik aus: „…Unerhörtes ist geschehen. […] Das Alte und Morsche, die Monarchie ist zusammengebrochen. Es lebe das Neue; es lebe die deutsche Republik!“

Nur wenig später tat es ihm Karl Liebknecht gleich. Während Scheidemann jedoch eine bürgerlich-parlamentarische Republik meinte, rief Liebknecht die „freie sozialistische Republik Deutschland“ aus. Gemeint war eine Räterepublik nach sowjetischem Vorbild.

In der Folge des Kieler Matrosenaufstandes vom 03. November hatten sich bereits überall in Deutschland Arbeiter- und Soldatenräte gegründet. Um im Streit um die neue Staats- und Regierungsform die Oberhand zu gewinnen, verbündete sich die SPD mit den monarchistisch-reaktionären Freikorps. Der Kampf zwischen diesen und den Spartakisten tobte bis zum Frühjahr 1920 auf den Straßen.

Anlässlich des 100. Jahrestages der Ausrufung der ersten Republik auf deutschem Boden haben wir uns in passender Montur in die Wirren der Revolution gestürzt, obschon es bei uns ungleich friedlicher zugeht.

Kettenhemd mit einer Armbrust beschossen

Am 21.07. sind wir am Rande der 800-Jahr-Feier von Mahlberg im Ortenaukreis Zeugen eines seltenen Ereignisses geworden:  Der Beschuss eines Kettenhemdes mit einer Armbrust.Das Kettenhemd war ein Nachbau eines der wenigen erhaltenen Exemplare aus dem 13. Jahrhundert, die Armbrust hatte ein Zuggewicht von ca. 200 kg. Das Ergebnis: Jeder einzelne der drei verschossenen Bolzen ist einfach so abgeprallt! Wenn mir das jemand vorher gesagt hätte, ich hätte ihm nicht geglaubt.

Das Kettenhemd ist Ring für Ring eine Sonderanfertigung

Das Kettenhemd ist natürlich kein so einfaches Teil wie die, die man allgemein so aus Asien geliefert bekommt (wenn natürlich auch mit vernieteten Ringen) und wie ich auch eines mein Eigen nenne, sondern ist Ring für Ring eine Sonderanfertigung und damit sehr nah am historischen Original dran. Dennoch habe ich bisher immer gedacht, dass so ein Kettenhemd für Geschosse, egal welcher Art, eher ein Haufen Löcher mit ein bisschen Draht drum herum ist. Andreas und Isak haben mit eines Besseren belehrt, danke dafür.

Kein wissenschaftliches Experiment

Wie Arne das in seinem Kommentar zum Video schon schreibt, Ist das natürlich kein wissenschaftliches Experiment. Dafür müsste man vorher den Bolzen wiegen, die Zugkraft der Armbrust exakt bestimmen, die Schussentfernung vermessen, die Geschwindigkeit des Bolzens messen, die Reißfestigkeit der Drahtringe im Kettenhemd und schlussendlich die Aufschlagenergie des Bolzens. Als Unterlage für das Kettenhemd sollte man dann natürlich auch keinen Strohballen, sondern ballistische Gelatine o.ä. verwenden. Aber für einen ersten Eindruck war das schon keine schlechte Sache.

Schutzwirkung des Kettenhemdes sehr hoch

Die Sorglosigkeit, mit der die Ritter damals in die Schlacht gezogen sind, scheint also keine reine Überheblichkeit gewesen zu sein. Die Schutzwirkung eines Kettenhemdes war offenslchtlich tatsächlich sehr hoch. Klar, ein dickes Hämatom oder die eine oder andere gebrochene Rippe dürfte ein solcher Treffer schon nach sich gezogen haben, aber das ist bei einer Pistolenkugel auf einer Schutzweste heute nicht anders.

Fazit (mal wieder): Man kann noch so viele akademische Überlegungen anstellen, aber nur Versuch macht klug.

Die Römer kommen wieder nach Zülpich

10 Jahre alt sind die Römerthermen Zülpich – Museum der Badekultur mittlerweile. Anlass genug für eine Feier. Daher: Die Römer kommen wieder nach Zülpich. Am 25. und 26. August – ja, schon so bald – beleben sie das Gelände am Wallgraben, direkt neben dem Museum. Nach unsrem Mittelalterfest im letzten Jahr schon unsere zweite Veranstaltung auf diesem Gelände.

Handwerker und Soldaten

Viele Handwerker und Soldaten entführen kleine und große Besucher in die Römerzeit: Die Römercohorte Opladen schickt Vexillationen der Legio VI Victrix und der angegliederten Cohors VI Asturum, die die Bewaffnung und Ausrüstung der römischen Armee

im 1. Jh. n. Chr. vorführen. Dazu gehört auch die Truppenwerkstatt, in der die Herstellung römischer Rüstungen demonstriert wird. Und: Die Soldaten bringen sogar einen kleinen Scorpio, ein Bolzengeschütz mit.

Von der Ornatrix frisch geschminkt ist die Dame, auszugehen. Foto: Gisela Michel.
Von der Ornatrix frisch geschminkt ist die Dame bereit, auszugehen. Foto: Gisela Michel.

Ein Bronzegießer wird zudem seinen Ofen anfeuern und ein Sutor wird die Herstellung von Schuhen und anderen Lederarbeiten demonstrieren. Ein Balnearius informiert über die vielfältigen Dienstleistungen zur Gesundheits- und Schönheitspflege in römischen Thermen.

Gleich nebenan sorgt eine Ornatrix dafür, dass Makeup und Frisur der Damen für die Abendeinladung gerichtet werden – und natürlich wird sie sich auch der lieben Kindlein annehmen.

Im Scriptorium werden Briefe und Urkunden aufgesetzt. Ein Mensor informiert über die Methoden der römischen Landvermessung und die ehrenwerten Matrones führen an verschiedenen Stellen die Herstellung, das Färben und die Verarbeitung von Textilien vor. Und da sich auch im römischen Reich Mode ständig wandelte, präsentiert das Contubernium primum Mode und Sachkultur der Spätantike.

Barbaren sind auch mit dabei

Die Kelten haben sich schon einmal auf den Weg gemacht.
Die Kelten haben sich schon einmal auf den Weg gemacht.

Ein paar Barbaren sich auch mit dabei. Eburonen und Rhein-Weser-Germanen schlagen Seite an Seite ihr Lager auf – Schädelheiligtum und Götzenbild inklusive. Doch geben sie sich friedlich und bringen den Kindern den Umgang mit Pfeil und Bogen bei.

Ein buntes Programm

Auch sonst haben wir ein buntes Programm vorbereitet: Einmal täglich halten die Gladiatoren des LVDVS NEMESIS Munera ab. Tapfer setzen sie ihr Leben auf’s Spiel, um dem Publikum zu gefallen. Hoffen wir, dass sie alle ihre Missio erhalten.

Ebenfalls einmal am Tag führen Römer und Barbaren in der Arena die Kleidung der Menschen in den römischen Provinzen und den benachbarten Gebieten vor. In einer großen Festumzug, einer Pompa, geht es zudem täglich einmal durch das römische Tolbiacum. Angekündigt und begleitet wird das alles jeweils von den Bläsern von MARCO MAGVS.

Zwischendurch gibt es Infos und Vorträge zur römischen Esskultur, Probehäppchen inklusive.

Spiele und Mitmachaktionen

Und natürlich gibt es viele Spiele und Mitmachaktionen. Wer möchte, kann sich typisch römisch dem Spiel mit Nüssen widmen oder sich an einem römischen Brettspiel versuchen. Oder wie wäre es mit einem kleinen, selbst abgeformten Andenken aus Modelliermasse?

Ein Highlight ist aber sicher das römische Wagenrennen für Kinder und ihre Väter. Papa zieht und die Kinder dürfen lenken – und antreiben!

Präsentationen von Ämtern und Museen

Wer nun wissen will, woher das ganze Wissen über die Römer stammt, der kann sich nicht nur im Museum, sondern auch an den Infoständen des LVR-Bodendenkmalamtes und zahlreicher weiterer Museen informieren. Und natürlich gibt es dort auch jeweils ein buntes Mitmachangebot. Römerbrot, Lucanische Würste und keltischer Eintopf werden den Hunger der Besucher durchaus zu stillen in der Lage sein.

Literatur zu Römern, Kelten und Germanen

An verschiedenen Stellen laden zudem Buchhändler und Verlage dazu ein, sich selbst durch die Literatur zu Kelten, Römern und Germanen zu arbeiten – und auch so, abseits aller Festivitäten, vielleicht ein kleines bisschen in die Welt vor rund 2.000 Jahren einzutauchen.