Ein Teil der Figuren auf der Südseite in der Turmvorhalle des Freiburger Münsters.

Die Figuren in der Turmvorhalle des Freiburger Münsters

Bei einem Besuch in Freiburg haben mich unter anderem die Figuren in der Turmvorhalle des Freiburger Münsters in ihren Bann gezogen. Mit ihrem Detailreichtum bieten sie sich nämlich als Quelle für die Rekonstruktion mittelalterlicher Kleidung an. Außerdem sind sie auf den Zeitraum um bzw. kurz nach 1300 zu datieren – und genau in diese Zeit fällt ja auch unsere mittelalterliche Ausstattung.

Eine kurze Baugeschichte des Freiburger Münsters

Um 1200 machte sich der letzte Herzog aus dem Geschlecht der Zähringer, Bertold V. (1186-1218), Gedanken über seine letzte Ruhestätte. Die alte Pfarrkirche in seiner Stadt Freiburg war ohnehin zu klein geworden. Ein Neubau musste her. Wie damals üblich, begann man im Osten, mit dem Chor.

Nachdem auch die beiden Chorflankentürme und das Querhaus fertig gestellt worden waren, kehrte man vom spätromanischen Baustil ab und wendete sich der Gotik zu. In diesem Stil wurden unter dem neuen Stadtherrn Graf Egino I. (1218-1236) das Langhaus und ab ca. 1270 der hohe Kirchturm im Westen ausgeführt. Bis ca. 1330 waren diese Arbeiten abgeschlossen.

Nicht lange danach aber wurde schon wieder an der Freiburger Stadtkirche gebaut: 1354 wurde der Grundstein für einen neuen Chor mit umlaufenden Kapellenkranz gelegt. Es sollte dann noch bis 1536 dauern, bis die Arbeiten auch an der letzten Kapelle abgeschlossen waren. Viel ausführlicher nachlesen lässt sich dies auf der Website des Münsters.

Die Figuren an der Nord- und der Südwand der Turmvorhalle

Der Turm steht beinahe frei an der Westseite des Langhauses. Sein fast quadratischer Sockel bildet in seinem unteren Teil die Vorhalle zur Kirche. Links und rechts an den Innenwänden der Vorhalle befinden sich, über zwei Stufen erreichbar, jeweils 12 steinerne Sitze für die Ratsherren und Marktrichter. Über diesen Sitzen zieht sich ein Reigen aus insgesamt 36 biblischen und allegorischen Gestalten sowie Heiligen der Kirche, der bis in die Archivolten des Kirchenportals reicht.

Im Süden sind dies von Ost nach West: Der Erzengel Gabriel, Maria, die Verkörperung der Heimsuchung, die Synagoge, fünf törichte Jungfrauen, die Sieben Freien Künste sowie die Heiligen Margareta und Katharina. Im Norden folgen, wieder von Ost nach West, die Heiligen Drei Könige, die Ecclesia, Christus als Bräutigam der sich anschließenden fünf klugen Jungfrauen, Magdalena, Abraham, Johannes der Täufer, Elisabeth, Zacharias, ein Engel, die Wollust und, als Versucher, der Fürst der Welt.

Die Kleidung der Figuren in der Turmvorhalle des Freiburger Münsters
Eine der Figuren in der Turmvorhalle des Freiburger Münsters (Hl. Maria Magdalena).
Die Figur der Hl. Maria Magdalena an der Nordseite der Turmvorhalle des Freiburger Münsters.

Schaut man sich die Kleidung der Figuren in der Turmvorhalle des Freiburger Münsters an, so begegnen einem die für das späte 13. und frühe 14. Jahrhundert typischen Kleidungsstücke: Cotte, Surcot und Mantel. Die Frauen tragen ihre Kleider bodenlang und stehen ganz typisch in den Falten ihres Kleides. Bei den Männern reicht der Saum der Cotte bis zu den Fußgelenken oder bis knapp die Wade. Dann sind enge Beinlinge und Halbschuhe erkennbar. Auffällig ist, dass Männlein wie Weiblein den Gürtel, falls vorhanden oder sichtbar, sehr hoch in der Taille tragen.

Von diesen Grundtypen gibt es allerdings immer wieder Variationen, die hier und da nicht unbedingt dem entsprechen, was man an Kleidung aus den Jahrzehnten um 1300 so gewöhnt ist. Dazu später an anderer Stelle mehr.

Die Jungfrauen tragen meist Schleier und Schapel, verheirate weibliche Heilige, wie die Hl. Elisabeth, tragen den Schleier über einem Gebende. Interessant ist, dass das Gebende generell nicht weiß, sondern golden gefasst ist – womit wir beim Anlass für diesen Artikel wären.

Farbigkeit und Muster der Kleidung
Die Figur des Caspar an der Nordseite der Turmvorhalle des Freiburger Münsters.
Die Figur des Caspar an der Nordseite der Turmvorhalle des Freiburger Münsters.

Abgesehen vom Gold, das natürlich deutlich hervorsticht, sind die Figuren in nicht allzu kräftigen, schon fast pastelligen Farben gefasst. Für eine Fassung auf Stein ist das auch nicht allzu verwunderlich und entspricht dem, was ich aus verschiedenen Museen so gewöhnt bin. Was mich aber zunächst einmal fast von den Füßen gehauen hätte, sind die Muster der Kleidung. Hier dominieren Querstreifen! Eng gestreift wie bei der Figur des Caspar, mit Bändern aus mehreren schmalen Streifen wie z.B. bei zwei der klugen Jungfrauen oder, wie bei der Hl. Elisabeth oder Abraham, mit Bändern aus geometrischen Mustern, Blüten oder Rosetten, wiederum voneinander abgegrenzt durch Streifen.

Jetzt kann man sich natürlich die Frage stellen, ob diese Farbigkeit überhaupt der originalen Farbfassung entspricht. Tatsächlich wurde die Portalhalle 2004 renoviert und die Farbfassung der Figuren aus den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts wieder hergestellt. Entspricht aber diese Farbfassung wirklich der mittelalterlichen Farbigkeit?

Vergleich im Codex Manesse

Ich habe mich auf die Suche gemacht und bin tatsächlich fündig geworden. Und zwar, wen wundert‘s, in der Großen Heidelberger Liederhandschrift, dem Codex Manesse – und zwar beim dritten Nachtragsmaler. Der hat insgesamt nur drei (wenn man die unkolorierte Vorzeichnung auf Fol. 196r mitrechnet, ggf. vier) Miniaturen angefertigt (Fol. 43v, 194r und 197v) und geht dadurch fast unter. Aber bei seinen Miniaturen habe ich zwar nicht die gleichen, aber doch ähnliche Muster gefunden. Vor allem auf Fol. 194r sind auf den farbigen Kleidungsstücken der beiden Damen feine weiße Querstreifen zu sehen, die in sich auch, ähnlich wie bei den Figuren der Hl. Elisabeth oder des Abraham, eine Folge von Ornamenten tragen.

Die Figur des Abraham an der Nordseite der Turmvorhalle des Freiburger Münsters.
Die Figur des Abraham an der Nordseite der Turmvorhalle des Freiburger Münsters.

Mein Fazit: Bei den Stoffmustern, die auf den Figuren in der Turmvorhalle des Freiburger Münsters dargestellt sind, könnte es sich tatsächlich um die originalen Muster aus dem ersten Drittel des 14. Jahrhunderts handeln. Das in ein real existierendes Kleidungstück umzusetzen dürfte nicht leicht sein.

Literatur

Hug, Wolfgang (1989): Das Freiburger Münster. Kunst – Geschichte – Glaubenswelt. 2. Auflage. March-Buchheim (Buchheimer Druck- und Verlagsgesellschaft).
Walther, Ingo F. et. al. (Hrsg.) (1992): Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhandschrift. 5. Auflage. Frankfurt am Main (Insel-Verlag).

6 Gedanken zu „Die Figuren in der Turmvorhalle des Freiburger Münsters“

  1. Sie haben sich über Farben und Muster der Kleidung der Figuren gewundert. Mir ging es anders. „Der zweite der Heiligen drei Könige (Caspar) wendet seinen Kopf zum Mohrenkönig und weist mit der Rechten vorwärts in die Richtung des göttlichen Kindes in den Armen Mariä am Mittel-pfeiler des Portals; in der Linken hält er ein kleines Gefäß.“
    Zitat aus: Kempf, Friedrich; Schuster, Karl, Das Freiburger Muenster: ein Führer für Einheimische und Fremde – Freiburg i. Br., 1906, Seite 74f
    Diese Interpretation der rechten Hand kann ich allerdings nicht nachvollziehen. Denn es ist kein Deute(zeige)finger zu sehen, sondern nur die Daumenkuppe. Die Haltung der Hand und des Unterarms – und besonders der kecke Gesichtsaus-druck – bleiben für mich rätselhaft. – Diese Figur verwendet die Deutsche Stiftung Denkmalschutz als Symbol – klasse!

  2. Mich interessiert, ob der gestreifte König tatsächlich Caspar ist oder Balthasar, wie auch behauptet wird. Er wurde auch schon für Karl d. Gr. gehalten. Wie kann man seine Identität verifizieren? Und Streifen im Stoff gibt es, seit Nomaden ihre Zelte aus der Wolle von hellen und dunklen Ziegen weben. Herzliche Grüße von Irmgard Hilger

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