Archiv der Kategorie: Mittelalter

Der Limburger Erbfolgestreit 1283 bis 1288

Wir bei Past Present Promotions interpretieren Geschichte. Neben einem umfangreichen Wissen über die Sachkultur der Vergangenheit liegt uns da die heimische Geschichte natürlich besonders am Herzen. Einer der wirklich wichtigen Vorgänge, dessen Folgen das Rheinland bis heute prägen, war der Limburger Erbfolgestreit.

Der letzte Limburger Herzog stirbt ohne männlichen Erben

Alles begann 1279. In diesem Jahr tat Herzog Walram IV. von Limburg und Niederlothringen seinen letzten Atemzug. Da er ohne männlichen Erben starb, fiel die Herrschaft an seine Tochter Irmgard. Sie erhielt das Herzogtum 1282 von König Rudolf von Habsburg zu Lehen. Als Frau konnte sie die Herrschaft jedoch nicht selbst ausüben. Daher wurde ihr Ehemann, Reinald I., Graf von Geldern, der neue Herzog von Limburg.

Graf Reinald von Geldern wird neuer Herzog von Limburg

Reinald von Geldern trug nicht zu Unrecht den Beinamen „der Streitbare“. Er hatte sich von König Rudolf zusichern lassen, dass er die Herrschaft über Limburg bis zu seinem Lebensende behalten solle. Das schloss auch den Fall ein, dass Irmgard vor ihm sterben sollte. Dieser Fall trat 1283 tatsächlich ein. Doch entgegen der königlichen Anordnung machten weitere Erbberechtigte ihre Ansprüche geltend. Da war zunächst Heinrich VI., Graf von Luxemburg. Er war der Enkel der Ermesindis vom Luxemburg, der zweiten Ehefrau Walrams III., des drittletzten Herzogs von Limburg. Mit ihm konnte sich Reinald zunächst noch verständigen.

So könnten Reinald von Geldern und seine Frau Irmgard von Limburg ausgesehen haben.
So könnten Reinald von Geldern und seine Frau Irmgard von Limburg ausgesehen haben.
Die Ansprüche des Grafen von Berg

Graf Adolf VI. von Berg beharrte jedoch auf seinem Anspruch. Schon einmal nämlich waren das Herzogtum Limburg und die Grafschaft Berg in einer Hand gewesen. Das kam so: 1225 fiel Engelbert, Graf von Berg und Kölner Erzbischof, einem Mordanschlag zum Opfer. Erbin der Grafschaft wurde seine Schwester Irmgard. Sie war die Großmutter der gleichnamigen Witwe Herzog Walrams IV. von Limburg.

Diese ältere Irmgard also war mit Heinrich IV. verheiratet, dem Sohn Herzog Walrams III. von Limburg. Heinrich wurde nach dem Tod seines Vaters 1226 Herzog von Limburg und Graf von Berg. Nach dem Tod Heinrichs 1246/47 wurde die Herrschaft unter seinen Söhnen wieder geteilt. Limburg fiel an Walram IV., Berg an Adolf V., den Vater Adolfs VI.

Der Grund für Adolf VI., auch gegen den Willen des Königs an seinen Ansprüchen im Limburger Erbfolgestreit festzuhalten, war nun nicht einfach nur Starrsinnigkeit. Vielmehr war die Lage des Limburger Herzogtums ausschlaggebend. Es beherrschte nämlich die wichtigsten Übergänge am Mittellauf der Maas. Eine dauerhafte Vereinigung von Geldern und Limburg konnte Adolf keinesfalls hinnehmen. Die aber wäre bei einem genügend langen Leben des Grafen von Geldern durchaus möglich gewesen.

Die Rolle des Kölner Erzbischofs im Limburger Erbfolgestreit

Eine erneute Vereinigung des Herzogtums Limburg mit der Grafschaft Berg wiederum lag nicht im Interesse Siegfrieds von Westerburg. Der war zu dieser Zeit Erzbischof von Köln. Eine vereinigte Herrschaft Limburg-Berg hätte nämlich zu einer Umklammerung des Kölner Erzstifts geführt. Zudem war seit 1180 der Kölner Erzbischof Herzog nicht nur über die Rheinlande, sondern auch über Westfalen.

Eines der Ziele erzbischöflicher Politik war es nun, beide Gebiete zu einem geschlossenen Territorium zu vereinen. Dummerweise lag aber nicht nur das Gebiet der Grafschaft von der Mark dazwischen, sondern eben auch die Grafschaft von Berg. Erzbischof Siegfried tat also das für ihn einzig logische: Er stellte sich im Streit um das Herzogtum Limburg an die Seiten Reinalds von Geldern.

Herzog Johann I. von Brabant tritt auf den Plan

In dieser Situation erkannte Adolf von Berg, dass er seinen Erbanspruch gegen die gebündelte Macht Reinalds von Geldern und des Kölner Erzbischofs nicht würde durchsetzen können. Er verkaufte daher – damals durchaus üblich – seine Ansprüche an Johann I., Herzog von Brabant. Dieser konnte das Herzogtum Limburg gut gebrauchen. Das grenzte nämlich in Teilen wiederum an Teile seines eigenen Herrschaftsgebietes.

Doch auch die Expansion Brabants widersprach der erzbischöflichen Politik. Es kam, wie es kommen musste: Am 22. September 1283 schlossen Erzbischof Siegfried von Westerburg und Graf Reinald von Geldern ein Bündnis gegen Herzog Johann von Brabant und Graf Adolf von Berg. Kurz darauf begannen die ersten offenen Feindseligkeiten zwischen Brabant und dem Kölner Erzstift im Limburger Erbfolgestreit. Man fing an, sich gegenseitig die Felder zu verwüsten und die Dörfer anzuzünden. Das traf allerdings vor allem genau die, die mit der Sache am wenigsten zu schaffen hatten: die Bauern nämlich. Aber genau von deren Abgaben und Frondiensten finanzierten sich ja auch die Herren. Auf seine perfide Art machte das also durchaus Sinn.

Weitere Bundesgenossen für Brabant

Im Laufe der weiterhin auf mehr oder weniger kleiner Flamme kochenden Auseinandersetzung machte sich Herzog Johann auf die Suche nach weiteren Bundesgenossen. Einen fand er im Grafen Eberhard von der Mark. Auch das Jülicher Grafenhaus wechselte im Frühjahr 1288 von der geldrisch- erzbischöflichen Seite ins brabantische Lager. Graf Walram von Jülich und der Kölner Erzbischof hatten ihre langjährigen Streitigkeiten sowieso erst vor kurzem beigelegt. Besonders fest war das Bündnis zwischen Jülich und dem Kölner Erzstift daher sowieso nicht gewesen.

Unser Reiter in den Farben des Grafen Walram von Jülich.
Unser Reiter in den Farben des Grafen Walram von Jülich.
Die Situation eskaliert

Im Jahr 1288 eskalierte nun die Situation. Im Februar/März fiel Herzog Johann in das kölnische Land ein. Links und rechts seines Weges ließ er nichts als Verheerung zurück. Fast wäre es bei Hochkirchen, zwischen Düren und Lechenich, zur Schlacht gekommen. Die Stellung dort war Herzog Johann aber nicht sicher genug.

Graf Reinald setzte das Wechselspiel der Mächtigen fort. Er erkannte, dass er seinerseits das Herzogtum Limburg nicht für seine Familie würde halten können. Er verkaufte daher auf Anraten des Kölner Erzbischofs im Mai 1288 seine Erbansprüche an den ja sowieso erbberechtigten Grafen Heinrich VI. von Luxemburg. Damit war plötzlich Graf Heinrich der Hauptgegner für Herzog Johann.

Dieser war gerade in Bonn damit beschäftigt, die erzbischöflichen Gärten zu verwüsten. Gerade in dieser Zeit beschlossen die Kölner Bürger, ihr im Juli 1287 geschlossenes Bündnis mit ihrem eigenen Erzbischof zu kündigen. Die Kölner entschieden sich, Herzog Johann die Tore ihrer Stadt zu öffnen. Eine erzbischöfliche Burg und Zollstelle bei Worringen, einige Kilometer rheinabwärts von Köln, war der Anlass für das Zerwürfnis. Doch schon lange hatten die Bürger Kölns mit den Erzbischöfen um die Macht in ihrer Stadt gerungen. Nun sollte auch für sie die Entscheidung kommen.

Treffen auf dem Schlachtfeld

Von Bonn aus zog Herzog Johann auf Bitten der Bürger Kölns und mit ihrer militärischen Unterstützung nach Worringen vor die Tore der dortigen Zollburg. Das „roevere nest“sollte zerstört werden. Mit Herzog Johann ritten der Graf von Jülich, der Graf von der Mark und der Graf von Berg und alle ihre Verbündeten und Vasallen. Doch Siegfried von Westerburg, Heinrich von Luxemburg und Reinald von Geldern waren schon da, ebenfalls mit allen Rittern, die sie aufbieten konnten. Am 5. Juni des Jahres 1288 kam es auf der Fühlinger Heide, südlich von Worringen, zu einer der größten Reiterschlachten auf deutschem Boden. Der Limburger Erbfolgestreit hatte seinen Höhepunkt erreicht.

Literatur

Schäfke, Werner (Hrsg.): Der Name der Freiheit 1288-1988. Aspekte Kölner Geschichte von Worringen bis heute. Köln 1988.

Standorte für städtische Handwerker im Mittelalter

Eines unserer Standbeine ist die Organisation historischer, vor allem mittelalterlicher Handwerkermärkte. Da liegt es nahe, sich mit dem Thema Handwerk im Mittelalter ein bisschen näher zu beschäftigen. Denn Straßennamen wie Löhergasse, Tuchgaden, Töpferhof, wie zum Beispiel in Frankfurt am Main, geben zwar in vielen mittelalterlichen Altstädten Hinweise auf die Standorte für städtische Handwerker im Mittelalter. Aber haben hier wirklich diejenigen gewohnt, deren Berufsbezeichnung auf dem Straßenschild steht? Ich bin dem einmal nachgegangen.

Archäologen und Historiker untersuchen die früheren Standorte städtischen Handwerks

Ob städtische Handwerker wirklich in den Straßen gelebt und gearbeitet haben, die den Namen ihres Handwerks tragen, hängt vor allem davon ab, um welches Handwerk es sich handelt. Aber auch, für welche Stadt und für welche Zeit diese Frage gestellt wird. Oft lässt sich jedoch keine befriedigende Antwort finden. Das liegt an den beschränkten methodischen Möglichkeiten.

Archäologen suchen nach Hinterlassenschaften der Handwerker im Boden. Bei denjenigen Berufen, die mit festen Ein- oder Aufbauten gearbeitet haben, geht das sehr gut. Solche Handwerker sind zum Beispiel Gerber mit ihren Gruben oder Töpfer und Bäcker mit ihren Öfen. Mit Einschränkungen können auch Werkzeuge oder Produktionsabfälle genutzt werden, die im Boden erhalten wurden. Doch muss der Archäologe hier immer mit erheblichen Verlagerungen rechnen.

Mindestens zwei Drittel aller Handwerker, die in einer Stadt gearbeitet haben, sind archäologisch allerdings überhaupt nicht fassbar. Dennoch können Archäologen wichtige Beiträge zur Gewerbesituation einer Stadt leisten. Vor allem, wenn schriftliche Zeugnisse fehlen, ist ihre Arbeit gefragt.

Quellen des Historikers sind hingegen insbesondere die Steuerlisten, die in jeder Stadt auch schon im Mittelalter geführt wurden, die so genannten „Schoßregister“. Leider sind in den Listen nur die Namen der Steuerpflichtigen verzeichnet. Außerdem setzt die Überlieferung dieser Dokumente erst recht spät im Mittelalter ein und ist ziemlich lückenhaft.

Nur in einigen wenigen Fällen sind ältere Listen erhalten. So beispielsweise in Köln für das Kirchspiel St. Kolumba. Hier ist die Kirchensteuerliste aus dem Jahr 1286 überliefert. Diese Liste macht deutlich, wie wenig aussagekräftig mitunter die Straßennamen für das städtische Gefüge sind.

Straßenplan des Kirchenspiels St. Kolumba in Köln mit den nachweisbaren Standorten der Handwerker im Jahr 1286.
Straßenplan des Kirchenspiels St. Kolumba in Köln mit den nachweisbaren Standorten der Handwerker im Jahr 1286.
Schmiede – nicht immer da, wo sie sein sollten

Als Beispiel können hier die Schmiede dienen. Denn weder in der Kölner Streitzeug- noch in der Schwertnergasse war im Jahr 1286 auch nur ein einziger Waffen- oder Rüstungsschmied ansässig. Diese konzentrierten sich vor allem im Bereich der Hohe Straße. Kein Wunder, denn die Kölner Schmiede gehörten nicht zu den armen Leuten und die Hohe Straße war Teil von Kölns „guter Stube“.

Arme Leute wiederum waren schon eher in der Streitzeuggasse anzutreffen. Die einzigen beiden Handwerker unter ihnen, die überhaupt etwas mit der Metallverarbeitung zu schaffen hatten, waren zwei Kesselschläger.

In Basel waren die Verhältnisse ganz ähnlich. Hier sind in den Schoßregistern des Jahres 1453/54 in der Eisengasse nur ein Messerschmied und ein Schwertfeger aufgeführt, dafür aber 16 Schuster!

Gerbergassen – Stinker am Stadtrand

Ganz anders sieht die Situation bei den Gerbern aus. Ob nun am Rotgerberbach wie in Köln oder in der Löhergasse – unter Lohe versteht man gehäckselte Eichen- oder Fichtenrinde, die große Mengen des für die Rotgerbung nötigen Gerbstoffes Tannin enthält – wie in Frankfurt: Dort haben mit großer Wahrscheinlichkeit tatsächlich überwiegend Gerber gelebt oder zumindest gearbeitet. Denn um aus rohen Häuten Leder zu machen, benötigt der Gerber große Mengen an Wasser. Daher haben die Gerber ihre Werkstätten stets an einem Gewässer betrieben.

Karte der Altstadt von Frankfurt/M.
Karte der Altstadt von Frankfurt/M.

Außerdem haben mittelalterliche Gerbereien erbärmlich gestunken. Im Laufe der Zeit wurden daher die Gerberwerkstätten durch städtische Verordnungen immer stärker in eigenen Vierteln konzentriert. So auch in Villingen: Hier lagen die Gerbereien zumeist in der – wie der Name schon vermuten lässt – Gerberstraße. Die Lage am Stadtrand und direkt an einem Arm des Stadtbachsystems, kurz bevor die stinkende Brühe die Stadt verließ, ist typisch für dieses Handwerk.

Villingen im späten Mittelalter mit den nachgewiesenen Standorten von Gerbereien.
Villingen im späten Mittelalter mit den nachgewiesenen Standorten von Gerbereien.

Mancherorts mussten die Gerber zumindest mit ihren Werkstätten sogar vor die Stadt ausweichen. So verfügte der Rat der Stadt Bern im Jahr 1326 die Ansiedlung der Gerber im Gerbergraben, und das sogar unter Androhung der Zwangsumsiedlung.

Der Stadtplan des mittelalterlichen Höxter im späten Mittelalter mit den nachweisbaren Gewerben.
Der Stadtplan von Höxter im späten Mittelalter mit den nachweisbaren Gewerben.

In Höxter durften die Gerber zwar in der Stadt wohnen bleiben. 1514 erlegte ihnen der Stadtrat jedoch auf, ihre Häute nur noch außerhalb der Stadt zu reinigen. Sie sollten so die städtischen Gewässer nicht so verschmutzen. Ganz aus der Stadt konnte man die Gerber nicht weisen. Denn sie gehörten in Höxter zu den wohlhabenderen und damit auch einflussreicheren Bürgern.

Feuer, Lärm und Gestank – unbeliebte Nachbarn

Nicht nur die Gerber wurden häufig an den Stadtrand oder in die Vorstädte gedrängt. All diejenigen Berufe, die mit einer mehr oder weniger intensiven Geruchsentwicklung einhergingen, waren in vielen Städten ungern gesehen. Aber auch solche, zu deren Ausübung ein Feuer unterhalten werden musste, wurden vielfach aus dem Stadtzentrum verbannt. Auch wenn man ihrer Dienste dringend bedurfte:

In Siegen wurden die Gerber und Metzger wegen des Gestankes in einer Straße zusammengezogen. Die Schmiede, Schlosser und Fallenschläger konzentrierte man hingegen wegen des Lärms und der Feuergefahr in einem eigenen Straßenzug.

In Frankfurt/Main wies 1403 der Rat der Stadt die Fassbinder und Böttcher darauf hin, dass für sie Wohnpflicht in der Bendergasse bestehe. Offensichtlich war diese Verordnung aber auch 100 Jahre nach ihrem Inkrafttreten ohne nennenswerten Erfolg geblieben.

Bischof Johann II. von Würzburg verfügte in der Polizeiordnung von 1424/26, dass Kesselschläger und Töpfer zwar in der Stadt wohnen und hier auch ihre Erzeugnisse verkaufen durften. Ihre Werkstätten aber mussten sie in den Vorstädten betreiben. Diese Handwerker gingen daraufhin in der Pleichachvorstadt ihrer Arbeit nach.

Der Rat der Stadt Basel verbannte nach dem Stadtbrand im Jahr 1427 die Bäcker, Töpfer und Glockengießer aus der Stadt, da diese in ihren Werkstätten Feuer unterhielten. In Lübeck mussten sich 1477 alle Kerzenmacher dorch stankes willen und auch wegen der Brandgefahr vor dem Holstentor niederlassen. In Straßburg wurden im 15. Jahrhundert erstaunlicherweise die Bäcker zur Vermeidung von Gestank aus der Stadt gewiesen. Die Liste ließe sich beinahe endlos fortsetzen.

Ein weiteres Mittel, mit dem sowohl der Stadtrat als auch einzelne Grundstücksbesitzer Einfluss auf die Verteilung der verschiedenen Gewerbe ausüben konnten, waren Berufsverbote für einzelne Grundstücke. In Köln bestanden solche Verbote für Metzger, Gerber, Färber, Hutmacher, Schmiede und solche Berufe, die Schmelzöfen betrieben.

Umgekehrt war die Vergabe einer Gewerbelizenz oft an bestimmte Grundstücke gebunden. Zu den betroffenen Gewerben gehörten die Schmiede, die Bäcker, die Töpfer und die Brauer. Verordnungen der Zünfte spielten bei der Verteilung der verschiedenen Berufe in der Stadt hingegen keine Rolle.

Ausnutzung von Standortvorteilen durch städtische Handwerker

Die Gerber waren nicht die Einzigen, deren Berufsausübung an bestimmte räumliche Voraussetzungen geknüpft war. In vielen Städten waren sie immer wieder an ähnlichen Standorten zu finden. So haben sich Seiler meist am Stadtrand in der Nähe der Mauer niedergelassen. Denn hier konnten sie am besten die langen Reeperbahnen errichten. Hufschmiede unterhielten ihre Werkstätten oft verkehrsgünstig an den Torstraßen.

All diejenigen Handwerker, die den alltäglichen Bedarf der Bewohner deckten, wie Bäcker, Schuhmacher und Schneider, waren meist gleichmäßig über die Stadt verteilt. Doch auch hier gab es Ausnahmen. So saßen die Kieler Schuhmacher fast alle in der Haßstraße und „Bei der Mauer“. Die Goslarer Bäcker konzentrierten sich an der Bäckerstraße.

Der Stadtplan von Göttingen im späten Mittelalter mit den nachweisbaren Standorten für städtische Handwerker.
Der Stadtplan von Göttingen im späten Mittelalter mit den nachweisbaren Standorten für städtische Handwerker.

Bei den Metzgern war die Streulage, so sie nicht ohnehin aufgrund einer Verordnung in die Vorstädte abgedrängt wurden, ebenfalls der Normalzustand. Doch es gab gerade bei den Angehörigen dieses Berufes viele Ausnahmen. Die Lübecker Metzger konzentrierten sich in der Nähe des Schlachthauses.

In Göttingen konzentrierten sich die Metzger im Nicolai-Viertel und in Hamburg am nördlichen Stadtrand zwischen dem Schlachthof und den Fleischschrangen – den Verkaufsständen. Gründe für diese Konzentrationen sind wohl überwiegend wirtschaftlicher und weniger rechtlicher Natur. Der Bezug von Rohstoffen und Produktionsmitteln dürfte dafür Anlass gewesen sein.

Immer ein wenig außen vor – die Töpfer

Städtische Handwerker, die meist freiwillig am Stadtrand, in den Vorstädten oder gar ganz außerhalb der Städte lebten und arbeiteten, waren unter anderen die Töpfer. Überhaupt war das Töpferhandwerk traditionell eher auf dem Land angesiedelt, weswegen die Töpfer nur langsam den Weg in die Städte fanden. Denn dort war die Versorgung mit Ton, Holz und Wasser, den Rohstoffen für das Töpferhandwerk, ungleich schwieriger als außerhalb der Mauern.

Reine Töpfervorstädte sind zum Beispiel aus Mayen bekannt, wo die Töpfer zwar in Sichtweite der Genovevaburg, aber von dieser durch einen Graben getrennt lebten. In Siegburg lagen die Werkstätten der Töpfer an der Aulgasse (Aul/Ul = Topf),  nördlich der Stadt. Viele Siegburger Töpfer hatten ihre Wohnhäuser jedoch innerhalb der Stadtmauern. In Regensburg waren die Töpfer in der Prebrunn- (Brennbrunn-) Siedlung ansässig. Mit dem Prebrunntor hatte die Töpfersiedlung auch einen eigenen Zugang zur Stadt.

Starker Stoff – die Weber

Die Situation der Wollweber stellt sich in den einzelnen Städten sehr unterschiedlich dar. Das liegt daran, dass in einigen Städten sehr feine Wolltuche hergestellt wurden, die zu einem großen Teil in den Export gingen. Die Wollweber gehörten hier zu den reicheren Leuten. Daher wohnten sie auch eher in den teureren Lagen im Stadtzentrum. In den Städten, in denen Tuche vor allem für den lokalen Markt erzeugt wurden, wohnten die Wollweber über die Stadt verstreut.

Gänzlich abweichend war die Wohnsituation der Wollweber in Hildesheim, Braunschweig, Göttingen und Würzburg. Hier lebten die Tuchmacher in den Vorstädten. Das lag aber nicht an ihrer sozial schwachen Stellung, sondern daran, dass hier – in Hildesheim und Braunschweig belegt, in Göttingen und Würzburg zumindest sehr wahrscheinlich – flandrische Weber angeworben und in eigens für sie errichteten Vorstädten untergebracht wurden.

Viel schlechter als den Wollwebern ging es den Leinewebern. Im Spätmittelalter zählten sie in manchen Regionen gar zu den unehrlichen Leuten. Der Grund dafür war unter anderem, dass sie wegen des reichlichen Abfalls, der auf dem Weg vom Flachsstängel zum fertigen Leinen anfällt, weniger Fertigprodukte auslieferten, als sie vorher Rohstoff erhalten hatten. Den Verdacht, unterwegs ein wenig davon in die eigene Tasche abzuzweigen, wurden sie nicht los. Da sie es mit ihrer Arbeit nicht zu Wohlstand bringen konnten, wohnten sie in den ärmeren Gegenden am Stadtrand.

Sehr gefragt – die Bäcker

Die Bäcker gehörten zu den für die örtliche Versorgung unbedingt nötigen Handwerkern. Entsprechend waren ihre Wohn- und Arbeitsstätten meist recht gleichmäßig in der Stadt verstreut. In manchen Städten, so auch in Göttingen, siedelten sich ein paar mehr Bäcker am Marktplatz an. Auch in Höxter lebten zwischen 1482 und 1517 die meisten der 14 in den Schoßregistern nachweisbaren Bäcker in der Nähe des alten und des neuen Marktes sowie verkehrsgünstig an der Westerbeke, dem Strang des Hellweges durch die Stadt.

Mancherorts waren besonders Eckgrundstücke bei Bäckern beliebt. Auch hier war wohl wieder die gute Erreichbarkeit für die Kunden ausschlaggebend. Ein in Höxter ergrabener Backofen aus dem 15. Jahrhundert lag ebenfalls in einem Eckhaus, doch ist es verwunderlich, dass dieses Grundstück keinem der in der fraglichen Zeit in Höxter urkundlich erwähnten Bäcker zugeordnet werden kann.

Literatur

H. Jansen, G. Ritter, D. Wiktorin, E. Gohrbandt u. G. Weiss: Der historische Atlas Köln. Köln 2003.

Landesdenkmalamt Baden-Württemberg/Stadt Zürich (Hrsg.): Stadtluft, Hirsebrei und Bettelmönch. Stuttgart 1992.

H. Rüthing: Höxter um 1500. Paderborn 1986.

H. Steenweg: Göttingen um 1400. Göttingen 1990.

Mittelalterliche Minnekästchen

Als Minnekästchen werden kleine, reich verzierte Kästchen aus Holz oder Elfenbein bezeichnet. Der Begriff „Minnekästchen“ stammt jedoch nicht aus dem Mittelalter. Er ist eine Wortschöpfung des 19. Jahrhunderts. Im Mittelhochdeutschen nannte man kleine Kästchen, egal für welchen Zweck, einfach „truhelin“, „sc(h)rin“, „kistlin“, „laden“, „lädlin“ oder ähnlich.

Die Frage nach der Mittelalterlichkeit von Minnekästchen

Lange Zeit wurden quasi alle derartigen Kästchen in Museen und Privatsammlungen als Fälschungen identifiziert. Ebenso wie der Begriff sollen auch die Kästchen selbst Schöpfungen des 19. Jahrhunderts gewesen sein. Mittlerweile wird die Echtheit vieler dieser Kästchen aber nicht mehr angezweifelt. Weder zeigen sie ein für das Mittelalter unübliches oder unmögliches Bildprogramm, noch sind in ihnen damals noch nicht bekannte Materialien oder Techniken zur Anwendung gekommen. So dürften die erhaltenen, als Minnekästchen angesprochenen Gegenstände tatsächlich überwiegend aus dem 13. bis 15. Jahrhundert stammen.

Eine Kultur des Schenkens

Im Mittelalter pflegten die Menschen eine Kultur des Schenkens. Durch Geschenke versicherte man sich gegenseitiger Freundschaft. Man bekräftigte derart Bündnisse und Verträge, sowohl im politischen wie auch im privaten Leben.

Auch Liebende tauschten reichlich Geschenke aus. Diese sollten jedoch die Erinnerung an den geliebten Menschen wach halten. Auf keinen Fall sollte mit ihnen die Liebe erkauft werden. Thomasin von Zerklaere zählt daher in seiner zu Beginn des 13. Jahrhunderts entstandenen Sittenlehre „Der Welsche Gast“ eine kleine Reihe von Geschenken auf, die eine Dame von ihrem Verehrer annehmen darf, ohne gegen die guten Sitten zu verstoßen: „hantschuch, spiegel, vingerlin, fürspan, schapel, blumelin“.

Noch ein bisschen früher, Ende des 12. Jahrhunderts, hatte Andreas Capellanus sein Traktat „de amore“ verfasst. In diesem stellt er ebenfalls eine solche, jedoch umfangreichere Liste auf. Darin sind auch „Repositoria“ und „Pyxidem“ enthalten: Kästchen bzw. Büchsen, letztere wohl aus dem dafür beliebten Horn oder Elfenbein. Wir dürfen getrost davon ausgehen, dass entgegen aller Empfehlungen nicht wenige dieser Geschenke gemacht wurden, um das weibliche Objekt der Begierde ins Bett zu bekommen.

In Italien und Frankreich war es zudem Sitte, zur Verlobung bzw. zur Hochzeit ein kleines Geschenk zu machen. Dieses war dann gerne in einem kleinen Kästchen verpackt, dass die Wappen der sich verbindenden Familien zeigte. Allgemein dürften Minnekästchen meist nicht das Geschenk selbst, sondern eher die mehr oder weniger aufwendigen Verpackungen für die eigentlichen Liebesgaben gewesen sein.

Ob es diese Sitte auch im römisch-deutschen Reich nördlich der Alpen gab, ist unbekannt. Auffällig ist auf jeden Fall, dass Minnekästchen vor allem aus dem süddeutschen Raum stammen. Im Niederdeutschen Raum sind sie sehr selten und wahrscheinlich aus Süddeutschland dorthin gelangt.

Die Ausführung der Verzierungen auf Minnekästchen

Die Verzierungen auf Minnekästchen können auf ganz unterschiedliche Weise ausgeführt sein. Alle Kästchen waren ursprünglich bunt bemalt. Von der Farbfassung ist heute vielfach jedoch nichts mehr erhalten, denn im 19. Jahrhundert wurde diese vielfach entfernt. Häufig kommen Relief-Schnitzereien vor, die auf den Korpus des Kästchens aufgesetzt sind. Auch Intarsien-Arbeiten sind möglich. Viele Kästchen sind zudem außer mit Schloss und Scharnieren mit zahlreichen Metallbeschlägen versehen.

Vor allem in Frankreich bestehen Minnekästchen oft auch aus Elfenbein. An östlich des Rheins entstandenen Kästchen ist dieses Material nicht verarbeitet worden.

Das Bildprogramm der Minnekästchen

Neben den Wappen und den damit eng verbundenen Turnierszenen ist Frau Minne ein beliebtes Motiv auf Minnekästchen. Mal geflügelt, mal nicht, verschießt sie Liebespfeile in das Auge oder das Herz des Mannes. Insgesamt scheint das gequälte Herz des Mannes ein beliebtes Motiv auf Minnekästchen zu sein. Ein weiteres, mehrfach anzutreffendes Motiv ist das Paar, das die Hände zum Hochzeitsgestus ineinander legt. Diese Geste scheint so typisch gewesen zu sein, dass selbst die Darstellung nur der Hände als Hinweis auf die eheliche Verbindung ausgereicht hat, um verstanden zu werden.

Auch wilde Männer tauchen auf Minnekästchen des 14. und 15. Jahrhunderts immer wieder auf. Sie sind zunächst Ausdruck einer ungezügelten Triebhaftigkeit. Nicht umsonst unterliegen sie in den Darstellungen dem strahlenden, tugendhaften Ritter. Später wandeln sie sich zum Symbol eines ungebundenen Lebens, frei von höfischen Regeln. Ebenso sind auf Minnekästchen wilde Tiere und Fabelwesen dargestellt. Auch sie müssen, je nach Symbolik des jeweiligen Wesens, in ihrer Wildheit überwunden werden, sind Symbol für Treue oder beschützen den Inhalt des Kästchens vor unerlaubten Blicken. Speziell das Motiv der Hasenjagd hat bis heute seine sprichwörtliche Bedeutung behalten, handelt es sich dabei doch in den seltensten Fällen um das weidmännische Nachstellen nach Langohren.

Da Blumen zu den erlaubten Liebesgeschenken zählten, sind auch sie bzw. das Schenken von Blumen und Blumenkränzen ein häufiges Motiv auf Minnekästchen. All diese Motive und noch zahlreich mehr können einzeln oder in Kombination auftauchen. Je nach beabsichtigter Aussage sind sie sogar zu regelrechten Bildergeschichten kombiniert.

Minnekästchen in unserem Fundus

Derzeit befinden sich zwei freie Nachschöpfungen mittelalterlicher Minnekästchen in unserem Fundus. Eines ist inspiriert durch ein Kästchen aus der Mitte des 13. Jahrhunderts / 1. Hälfte des 14. Jahrhunderts, das sich heute in der Cloisters Collection im Metropolitan Museum in New York befindet. Das zweite Kästchen ist verziert mit einer freien Zusammenstellung verschiedener Motive aus dem frühen 14. Jahrhundert. Auf unseren Mittelaltermärkten kann man in der Regel den Handwerkern beim Bau und der Bemalung dere Kästchen zusehen – und dann natürlich auch sein eigenes Kästchen erwerben.

Literatur

Wurst, Jürgen: Reliquiare der Liebe. Das Münchner Minnekästchen und andere mittelalterliche Minnekästchen aus dem deutschsprachigen Raum. München 2005.